Die liebe und stets aufmerksame @zbrwld hat mich darauf hingewiesen, dass der virtuelle Spaziergang vom Hotel zum Point Pleasant Park in G Street View zwangsweise schon am Cambridge Drive und demnach noch vor dem Betreten des Parks endete. Dumm gelaufen (23000€ in die Wortwitzkasse), aber einfach und logisch dadurch zu erklären, dass auch für die Aufnahme-Fahrzeuge von Street View keine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, die dortigen Fußwege auf den letzten Metern bis zum Meer zu befahren.
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Prince of Wales Dr: noch wenige
Meter bis zum Atlantik |
Gut nur, dass wir auf den Street-View-Verein nicht angewiesen sind, denn ich habe selbst auch ein paar Bilder geknipst, die, so glaube ich, einigermaßen schlüssig belegen können, dass der
Point Pleasant Park seinen Namen vollkommen zu Recht trägt. Auf der Wiese beim Black Rock Beach (s. gelber Link) angekommen, werde ich für ein kurzes Weilchen von einem Backenhörnchen eskortiert (etwa halb so groß wie die uns vertrauten Eichhörnchen, ansonsten aber
ähnlich), das keine drei Meter vor mir durch das Gras hoppelt... stehen bleibt und sich mir zugewandt aufrichtet, wenn ich stehen bleibe... und erst dann wieder weiterhoppelt, wenn ich
weiter hoppele weiter gehe. Wer weiß, womöglich bin ich seiner Behausung etwas zu nahe gekommen und es versucht mich mit der altbewährten Fang-mich-doch-Du-Eierloch-Methode von dort wegzulocken, stellt aber alsbald sehr wohl fest, dass ich heute gar keinen Appetit auf Backenhörnchen habe und zieht unvermittelt wieder anderer Wege.
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CAHAL: einer der größten kom-
merziellen Häfen Nordamerikas |
Wendet man vom Black Rock Beach aus den Blick nach Norden, schaut man auf den kommerziellen Hafen von Halifax (internationale Bez. CAHAL), mit seinen Kränen und Frachtcontainern, der unmittelbar an den Park angrenzt und mit meterhohem Maschendraht vor
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Black Rock Beach |
zumindest versehentlichem Eindringen von verirrten Spaziergängern geschützt ist.
Ich interessiere mich jedoch im Augenblick nicht sonderlich für diesen Teil des Hafens und mache mich in entgegengesetzter Richtung, entlang des Sailors Memorial Way - der den Park an seiner Seeseite umrundet - dazu auf, den Park... nun ja, an seiner Seeseite zu umrunden. Der gesamte Park ist im Inneren sehr hügelig und durchgehend bewaldet, wird aber an seiner südlichen Rundung von einem flachen, breiten Grasstreifen gesäumt, der seinerseits gesäumt ist von einem teilweise steil abfallenden, beinahe schwarzen Kieselsteinstrand.
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PPP Übersichtsplan
Quelle: www.pointpleasantpark.ca |
Der Name "Black Rock Beach" wurzelt aber nicht etwa in diesen dunklen Kieselsteinen, sondern in einem großen schwarzen Felsen, der irgendwo hier - heute lauschiges Naherholungsgebiet - im neunzehnten Jahrhundert noch als Richtstätte für zum Tode verurteilte Kriminelle (z.B. Piraten) diente. Nun gibt es jenen namensgebenden Felsen in dieser Form aber schon lange nicht mehr. Er wurde später, in weniger blutrünstigen Zeiten, zu Schüttgut zertrümmert und man kann immer noch kleine Teile von ihm finden - z.B. an einem der Eingänge des Parks und... tjanun, wer könnte das schon mit absoluter Sicherheit ausschließen, vielleicht stehen meine Füße im Atlantik am Black Rock Beach (s. Foto im vorigen Kapitel) auf den zerkleinerten Resten des Felsens, auf dessen Rücken z.B. Edward Jordan (irischer Rebell und Pirat, 1809) gehenkt wurde. Sorry Eddie, das ist bestimmt nix Persönliches, ich mache hier bloß Urlaub.
Ein paar Schritte weiter entdecke ich etwas, das auf mich wie ein Kriegerdenkmal wirkt, sich aber bei genauer Betrachtung als... nicht das
genaue Gegenteil... aber doch irgendwie als Gegenteil entpuppt - nämlich ein NICHT-Kriegerdenkmal. Wenn im Moment auch in anderem Zusammenhang, so streift mich doch in diesem Land zum wiederholten Mal der Gedanke: "Das ist so unglaublich vernünftig, dass es Dich glatt verrückt macht." Mit diesem Ehrenmal wird der kanadischen Marine-Soldatinnen und -Soldaten gedacht, die in Ausübung ihres Dienstes während FRIEDENSzeiten ihr Leben ließen. Warum zum Kreuzdonner ist da nicht schon lange vorher jemand darauf gekommen?!
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NICHT-Kriegerdenkmal |
Ich weiß es klingt komisch, aber ich meine es vollkommen ernst: Die Damen und Herren von der Marine waren bereit ihre werten Hintern für Land und Leute hinzuhalten und haben verdammtnocheins mit dem Leben dafür bezahlt - wie könnte man ihnen also ein Ehrenmal vorenthalten, nur weil 'blöderweise' zu der Zeit gerade kein Krieg stattfand? Es bleibt dabei: verrückt vernünftig. Und weil wir gerade bei dem Thema sind, plaudern wir doch noch über ein paar weitere Dinge, die die Kanadier in meinen Augen überaus vernünftig erscheinen lassen, selbst wenn man sich an anderer Stelle dann fragt, ob die Menschen hier nicht vielleicht doch nur einen gewaltigen Sprung in der Ahornsirupschüssel haben. Das sind manchmal Kleinigkeiten, wie das an anderer Stelle erwähnte Beispiel des kostenfreien Hotel-Upgrades für Langzeitgäste, manchmal aber auch den Kontinent überspannende Angelegenheiten, wie die Einteilung der Zeitzonen des Landes. Bei zuletzt genanntem Beispiel ist mir der metaphorische Draht aus der metaphorischen Mütze gesprungen... aber das heben wir uns für den guten Schluss auf. Beginnen wir stattdessen mit etwas banalem, wie dem Straßenverkehr bzw. mit Fußgängerüberwegen. Selbst die kleineren Straßen der Stadt sind nach deutschen Maßstäben ziemlich groß, was nicht zuletzt der Tatsache geschuldet ist, dass der gemeine Nordamerikaner sehr gerne in sehr großen Autos herumkutschiert. Meine Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel z.B. durfte ich in einem schwarzen Lincoln Continental genießen, gegen den sich unsere hellelfenbeinfarbenen E-Klasse-Benz-Taxis ausnehmen, wie Heino gegen Johnny Cash. Was jedoch die Innenausstattung des Fahrzeugs betriftt, kann der Amerikaner getrost einpacken - noch mehr billigstes Plastik wird höchstens beim Bau von McDonald's-Spielplätzen verarbeitet... aber ich schweife etwas zu weit vom Thema ab.
Die Autos sind sehr groß, die Straßen sind sehr breit und man sollte nun doch annehmen, dass man es als Fußgänger, etwa zur Rush Hour, nicht ganz leicht hat, die Straßenseite zu wechseln, was wiederum (so denkt man jedenfalls) die Errichtung einer Vielzahl von Fußgängerampeln und Zebrastreifen sinnvoll erscheinen lässt. Downtown gibt es natürlich auch eine ganze Menge Fußgängerampeln, aber im Stadtviertel Commons (wo u.a. auch meine Unterkunft ist) sind sie nur recht spärlich gesäht. Hie und da gibt es durchaus Fußgängerüberwege, die, das sei nebenbei erwähnt etwas anders aussehen, als wir das gewohnt sind, ABER (und hier kommen wir endlich zurück zu verrückt vernünftig) man braucht diese Fußgängerüberwege eigentlich gar nicht (!), weil (jetzt bidde gut festhalten) die in den dicken Autos fahrenden Menschen ganz einfach anhalten, sobald man als Fußgänger am Straßenrand stehen bleibt und nur zur anderen Straßenseite
schaut! Zum ersten Mal bin ich mir dieses pervers rücksichtsvollen Autofahrerverhaltens bewusst geworden, als ich auf der Agricola Street Richtung Norden einen kleinen Plattenladen (auf der gegenüberliegenden Straßenseite), mit dem bemerkenswerten Namen "Obsolete Records" entdeckte.
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Botschaft: ambivalent |
Bevor ich ein Foto von dem Ladenschild gemacht habe, stand ich ein Weilchen in Gedanken versunken (über den Namen) am Straßenrand, bis ich bemerkte, dass die Autofahrer in beiden Richtungen anhielten, um mich über die Straße gehen zu lassen. Eigentlich wollte ich gar nicht auf die andere Straßenseite, war aber auch nicht unhöflich genug, die wartenden Autos einfach zu ignorieren - also bitteschön, man will die netten Menschen ja auch nicht für nix und wieder nix warten lassen.
Kleiner Einschub: Ich weiß von mindestens einer Leserin, dass sie jetzt bestimmt ein wenig unruhig auf ihrem Schreibtischstuhl hin- und herrutscht und sich fragt, wie jener (reine Vinyl-)Plattenladen mit dem bemerkenswerten Namen wohl von innen aussehen mag... Sorry, ich besitze aber schon lange keinen Schallplattenspieler mehr, was zum Geier soll ich also da drin? Und überhaupt, darum geht es ja auch gerade gar nicht. Einschub Ende.
Dies pervers rücksichtsvolle Autofahrerverhalten kann man hier überall beobachten, es sei denn, man befindet sich ohnehin in unmittelbarer Nähe eines tatsächlichen Fußgängerüberwegs/einer Fußgängerampel.
Ein weiters Beispiel für die etwas
andere Handhabung gewisser Dinge ist der Umgang mit Tabakwaren. Schaut man sich im alltäglichen kanadischen Leben ein wenig um, scheinen Tabakwaren schlicht nicht zu existieren. Es gibt keinerlei Werbung für Zigaretten auf Plakaten, in Zeitschriften o.ä. und auch in den jeweiligen Läden, in denen man wirklich Rauchwaren kaufen kann, werden selbige für kaufwillige Menschen unsichtbar aufbewahrt - in abgedeckten Schubkästen hinter dem Bezahltresen. Was dem US-Amerikaner das Pornomagazin ist, ist dem Kanadier der Tabak. Wobei... nach Pornomagazinen habe ich bislang noch gar nicht Ausschau gehalten. Die Nichtraucherkampagne beschränkt sich hierzulande jedoch nicht auf das pure Totschweigen des Produkts in der Öffentlichkeit, sondern man geht noch ein kleines Schrittchen weiter, beim Aufdruck der Glimmstengelpäckchen und ich muss respektvoll anerkennen, da haut das kanadische Gesundheitsministerium schon ganz ordentlich auf
den Krebs die Kacke.
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Von den Qualen
des Atmens... |
Während in Deutschland die Gesundheitswarnung ungefähr ein Drittel einer Packungsseite einnimmt - auf simplen Infotext beschränkt - und den Rest für das jeweilige Firmenlogo frei lässt, verhält es sich in Kanada so, dass für das Firmenlogo maximal gerade noch ein Viertel zur Verfügung steht und der Großteil der Packung mit nicht nur Infotext, sondern auch grauenvollen Bildern bedruckt ist. Weil ich selbstredend in meinem Blog keine Werbung für Zigarettenmarken machen
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... bis hin zu wahren
Zombievisionen |
möchte, habe ich die jeweiligen Logos auf den Beispielbildern ein wenig unkenntlich gemacht.
Und weil ich selbst immer noch ein Gelegenheitsraucher bin, maße ich mir auch kein Urteil darüber an, ob die hiesige Herangehensweise des Gesundheitsministeriums an die süchtige Lungenverkleisterung nun vernünftig ist oder nicht. Das mag ein jeder von euch selbst beurteilen.
Nicht-Kriegerdenkmäler, Hotelpolitik, Straßenverkehr und Antiraucherkampagne sind nur einige wenige der Kleinigkeiten, die mir in Sachen Andersartigkeit aufgefallen sind und eigentlich könnte ich Wochen, Monate, Jahre damit verbringen, nur über eben diese Kleinigkeiten zu schreiben (naja guuut, "Jahre" ist etwas übertrieben... aber ihr wisst schon, wie ich das meine) und das richtig dicke Ding - die kanadischen Zeitzonen - haben wir ja noch nicht einmal schüchtern berührt. Nun, wie es im Augenblick ausschaut, wird das auch noch ein wenig warten müssen, denn ich bin schon um den gesamten Point Pleasant Park herum gelaufen und habe ein bisschen Hunger bekommen. Auf dem Rückweg werde ich einen kurzen Umweg über die Waterfront in Downtown nehmen, die mein Reiseführer etwas säuerlich als "stark touristisch geprägt" beschrieben hat. Letztlich bin ich aber nur ein dummer Tourist, deshalb gehöre ich auch dahin UND da gibt es bestimmt nette Restaurants. Mein Weg zur Waterfront führt mich durch die Young Avenue, wo die reichen Leute von Halifax leben. Was die wohl so in Sachen Architektur auf dem Kasten haben... ich werde es gleich wissen.
Kleiner Teaser: Im nächsten Kapitel wird es um Extremsportarten und um Haare gehen und wenn ich mich nicht wieder allzu sehr verplaudere, natürlich um die Sache mit den Zeitzonen... die wahrscheinlich keine Sau außer mir interessiert.
ps. bislang noch keine Blasen an den Füßen