Samstag, 25. August 2012

WALTONS MOUNTAIN & EAST BERLIN 1986

alberner Hut


(fr. n. W. Busch) Vier Tage war der Onkel krank, jetzt stiehlt er wieder Reime, gottseidank!
***
Die ersten drei Tage meines Urlaubs waren, wie man lesen konnte, voll ausgefüllt mit schnodderigen Taschentüchern (genauer betrachtet waren es natürlich die Taschentücher, die voll ausgefüllt waren mit Schnodder, aber soviel dichterische Freiheit muss einfach drin sein) und an Tag Nummer vier habe ich mich in vernünftiger Geduld geübt und also, obwohl die Körpertemperatur bereits auf normal gesunken war, dem Immunsystem noch etwas mehr Zeit verschafft, Klarschiff auf dem pulmonalen Schlachtfeld zu machen. Oder etwas weniger auf den dramatischen Putz gehauen: Ich blieb noch einen weiteren Tag im Hotel, schlief viel, aß relativ viel Obst und bewegte mich nicht weiter, als bis zu "meinem" Balkon, um zur Abwechslung ganz rentnermäßig
Himmel über Halifax (mit Farb-
werten, zum selber nachbasteln)
ein bisschen in der Sonne zu sitzen und dröselig in den blitzeblauen Himmel zu blinzeln. Und auch wenn die ganz und gar unwillkommene Kurzerkrankung recht heftig und unanagenehm verlief, hatte sie doch den positiven Nebeneffekt, mir vollständig das innerlich  immer noch eingestellte (Arbeits-)Tempo durch sämtliche Schweißdrüsen auszutreiben.
Der gestrenge Papa Biologie hatte ein Machtwort gesprochen: "Sooo, der kleine Eicke steigt jetzt mal kurz aber kräftig auf die Bremse, nimmt ganz schnell den Kopf aus'm Stresseimer und putzt sich die Urlaubsbrille sauber - also: Hausarrest! Vier Tage sollten reichen." Obwohl sich der von Papa Biologie angestrebte Effekt vermutlich auch ohne 'Hausarrest' in diesen vier Tagen eingestellt hätte, gibt der Erfolg der Aktion ihm doch absolut Recht. Wenn man von meiner noch leicht nach Nebenhöhlen-Verschmodderung klingenden Stimme und von gelegentlichem Makrophagenschrott-Abhusten einmal absieht, geht es mir richtig gut. Leider fällt mir nichts besseres als nur ein einziges kleines Wort ein, das den derzeitigen Geisteszustand wenigstens ein bisschen näher umschreibt: Balance. Vielleicht könnte man dies Wort noch um das neudeutsche Adjektiv 'entschleunigt' erweitern... Nachdem ich aber Verfechter der Ansicht bin, dass die einfachsten Erklärungen in der Mehrzahl der Fälle auch die besten sind, belassen wir es doch einfach bei Balance.

Mit meiner neu erschwitzten Balance mache ich mich heute also zum ersten Mal auf, das Städtchen Halifax ein wenig näher unter die Lupe zu nehmen. Das mache ich selbstredend (wie immer) zu Fuß und es werden jetzt noch Wetten angenommen, ob ich mir schon wieder Blasen dabei laufen werde, oder nicht. 

Am Rande dessen sei erwähnt: Ich weiß, dass ich das ein odere andere Mal eklige Fußgeschichten darüber erzählt habe, wie ich Blut in meinen Schuhen bei etwas ausgedehnteren Spaziergängen-, bei der ein oder anderen Reise gesammelt habe und natürlich ist mir auch bewusst, dass ich zwar für einen lustigen Märchenonkel, aber zu guter Letzt doch eben nur für einen Märchenonkel gehalten werde. Das geht natürlich auch vollkommen in Ordnung so. Nun werde ich an dieser Stelle (im Blog) kein Bild von der Innenansicht meiner Reiseschuhe veröffentlichen, aber wer sich nicht davor fürchtet die verkrustete Wahrheit über den blutigen Schuhmythos höchstselbst in Augenschein zu nehmen, ist hiermit herzlich dazu eingeladen, den gelben Link anzuklicken (und: oh ja, es IST ziemlich eklig) RUCKETIKU

Als erstes steht heute Point Pleasant Park auf dem Plan, denn ich bin immer noch nicht am Meer gewesen (bzw. habe meine Füße in selbiges getaucht) und ich reise ja auch nicht nur zum Spaß und gänzlich hirnlos in der Gegend herum - Meer muss sein! Wer gerne mitspazieren möchte, kann das wie gewohnt mit dem Finger auf der Karte tun, wenngleich ich nicht, wie im letzten Jahr, selbst eine Karte zusammenbasteln und mit bunten Linien versehen werde (zumindest nicht für diesen ersten Spaziergang), sondern nur den STARTPUNKT (Hotel) verlinke. Von da an seid ihr (wie ich auch, weil Stadtpläne für Weicheier sind) auf euch selbst gestellt. Allzu kompliziert ist es aber nicht: Bis zum Atlantik sind es rund dreieinhalb Kilometer - raus aus dem Hotel, nach links in die West Street (südwest), dann wieder nach links in die Robie Street (Richtung südost), der wir stur geradeaus bis zum für jedermann bespielbaren Baseballfeld Grosebrook Field folgen, um dort wieder nach links in die Inglis Street- und nach etwa 400 Metern auf der Inglis nach rechts in die Tower Road einzubiegen. Der Tower Road folgen wir nun für rund einen Kilometer in südöstlicher Richtung und sind dann schon am Point Pleasant Drive angekommen, den wir überqueren. Hier beginnt der Point Pleasant Park und die Tower Road geht beinahe nahtlos in den Cambridge Drive über (auf dem driving  gar nicht gestattet ist, weil Fußweg).

Und weil im echten Leben auch nichts so schnell von statten geht wie in einer kurzen Wegbeschreibung, fliegen wir natürlich nicht einfach so über alles hinweg, sondern tun wie Papa Biologie uns geheißen hat und genießen den kleinen Gang von hier nach dort, lassen Augen und Gedanken schweifen, während die Spazier-Beinchen ihren Job wie ganz von alleine machen. Die Sonne lacht, es weht eine leichte Brise von Osten und verweht dankenstwerterweise den Gestank der mobilen Teerkocher auf der Robie Street, die an einigen Stellen ausgebessert wird. Kleiner Tipp für die Noobs: In Google Maps (der Startpunkt-Link weiter oben) kann man das kleine orangene Männchen unterhalb der Windrose z.B. auf den Startpunkt ziehen und mit ein paar Mausklicks den Spaziergang in virtueller Nähe durch die Straßen von Halifax nachvollziehen. So kann man auch erahnen, wie hügelig das Städtchen in Wirklichkeit ist und während wir miteinander gehen, erzähle ich davon, was ich trotz (oder vielleicht sogar wegen?) meines Schniefs von der Stadt bisher alles wahrgenommen habe:

Halifax ist komisch.

Soviel zur hiesigen Wahrnehmung, damit gebe ich ab nach Ontario....

Nee, Halifax ist wirklich
Waltons Mountain
ausgesprochen eigenartig, was ich im Augenblick nur an meiner handwerklichen Lieblingsdisziplin - der ARCHITEKTUR (hüstel) - festmache. Nun darf man mich an dieser Stelle sehr gerne daran erinnern, dass ich
Downtown Halifax 2012,
oder Alexanderplatz 1986?
erwiesenermaßen von Architektur keinen blassen Schimmer habe, im Fall Halifax tröste ich mich jedoch damit, dass hier offenkundig auch sonst keiner Ahnung davon hat. Weil ich des Öfteren schon diverse Späßchen über die Damen und Herren ArchitektInnen gemacht habe,
Halifax Armoury (1899)
geschändet mit
Kunststoff-Fallrohren
will ich ein wenig Wiedergutmachung leisten, indem ich offen zugebe, dass sogar Ignoranten wie ich gut erkennen können, was man an diesem Handwerk hat, wenn man durch die Straßen einer Stadt spaziert, die gewissermaßen ihrerseits die Archtiektur verhöhnt, mit einem wilden Durcheinander von Noch-Nicht-Richtig-Alt und Leider-Nicht-Mehr-Ganz-Neu, oder drastischer: einem heillosen Legopanoptikum, dessen Bausteine zusammengewürfelt sind aus den Stecksätzen "Waltons Mountain" und "Ostberlin 1986", stellenweise durchsetzt von "Kriegsromantik der Gründerjahre (mit Spachtelmasse und Plastikrohren) ".

Fangen wir doch direkt mit dem
Fieses altes Haus,
West St.
fiesen alten Haus auf der West St. an, das mich anfänglich unter seinen 2/3-gesenkten "Lidern" durch mein Zimmerfenster zu beobachten schien. Wenn es da nicht spukt, dann spukt's nirgends. Am Tag meiner Ankunft bin ich (gedanklich noch nicht in einem recht gut einsehbaren Hotelzimmer angekommen) nach dem Duschen splitternackt in eben meinem Hotelzimmer herumgelaufen und habe die olle Gentleman Sausage unbefangen und unbedacht am Fenster vorbeibaumeln lassen - seither schaut das fiese alte Haus lieber nicht mehr hier rüber.
Die Ein- oder Mehrfamilienhäuser der normalverdienenden Halifaxians sehen sich (mit kleinen Varianten) ziemlich ähnlich. So gut wie jedes der Häuschen hat einen kleinen Treppenaufgang (und sei es, dass er nur aus einer einzigen Stufe besteht), viele haben einen Erker und sie sind alle mit irgendeiner Art Schindeln verkleidet - Holz, Blech oder Kunststoff. Trotz aller Ähnlichkeit wahren sie ihre Individualität durch die vielfarbigen Anstriche, was den Wohnvierteln immerhin ein hübsch buntes Aussehen verleiht. Manchmal fragt man sich aber, ob es sich bei der Anordnung der ein oder anderen "Serie" um eine Art Bauherren-Bilderrätsel,
Bilderrätsel oder seltsamer Humor?
oder Bauherren-Humor, á la "kommen vier Häuser in eine Bar..." handelt. Wie auch immer, Wohnsiedlungen in Deutschland sehen bei Weitem langweiliger/trister aus - es ist alles nur ein bisschen ungewohnt.
Dass die Bilder alle stellenweise leicht "verschmiert" aussehen liegt nicht etwa daran, dass ich versucht habe, den derzeit unter Pixelnerds total angesagten Tilt-n-Shift-Effekt (in grauenhaft schlecht) zu generieren, sondern daran, dass das "Objektiv" von meinem Bilderknipser neuerdings  hie und da verkratzt ist (das Ungemach nimmt einfach kein Ende).
Cogswell St:
Originalkulisse aus
'Rauchende Colts'?
Zurück zu den komischen Häusern: Da gibt es welche, z.B. in der Cogswell Street, die ich irgendwoher zu kennen glaube... und doch wieder nicht... dieses blöde Deja-vu-Gefühl.

Mittlerweile sind wir ganz nebenher auf unserem Spaziergang bei der Inglis Street angekommen, in die ich eigentlich nach links abbiegen wollte, aber noch etwas weiter geradeaus findet sich wie auf Zuruf ein nicht nur spaßiges Häuschen, sondern wirklich eins aus dem krassen Legopanoptikum: Saint Mary's University.
St. Mary's University
Die Institution feiert dieses Jahr den 210ten Jahrestag ihres Bestehens und es scheint so, als wollte der verantwortliche Architekt dem neuen Universitätskomplex ein altehrwürdiges Aussehen verleihen. Leider gibt das Foto die gewonnene Einschätzung nicht besonders gut wieder, aber auf mich macht das ganze eher den Eindruck von "stets bemüht" und den damit einhergehenden Minderwertigkeitskomplexen, denn das Bauwerk wurde nicht 1909 vollendet und fortan wie irre gepflegt, sondern es wurde 2009 erst fertiggestellt und ist in meinen Augen ein purer Anachromismus, der etwas repräsentiert, das überhaupt nicht in mein (eingestanden, extrem lückenhaftes) Kanadabild passt: dicke Mauern, die dabei auch noch furchtbar steril aussehen - Thema verfehlt, 6, setzen.
St. Mary's Basilica
(1899)

Es gibt noch weitere Beispiele für das "stets bemüht" altehrwürdige Erscheinungsbild, etwas weiter im Stadtzentrum, nämlich zum einen die katholische Saint Mary's Basilika (päpstlich zu einer solchen geweiht) an der Ecke Barrington St./Spring Garden Rd und zum anderen Saint Matthew's (United Church of Canada), spaßigerweise diagonal gegenüber, an der selben Kreuzung - Konkurrenz belebt das Geschäft, so sagt man.
Man darf natürlich nicht außer acht lassen, welche Zielgruppe(n) die Bauherren dieser
St. Matthews
(rebuilt after 1857)
Werke im Sinn hatten, daher sollte man hier vielleicht nicht von "Thema verfehlt" sprechen. Letztlich werden sich aber auch die religiösen/spirituellen Marketingabteilungen aller nur denkbaren Richtungen nicht auf dem altehrwürdigen Kissen (oder dem Anschein davon) ausruhen können - das dürfte wohl feststehen...
Dä!... Mal wieder verplaudert. Ich habe mich derart an der Architekturkiste festgebissen, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie wir inzwischen den Point Pleasant Drive überquert und den Cambrige Drive (bereits im Park) hinter uns gelassen haben. Da vorne sehe ich schon das Meer....
Sorry, dass sich die 'entschleunigten' Gedanken heute um ausschließlich unbelebte Dinge gedreht haben, aber zu nicht unwesentlichen Teilen besteht eine Stadt natürlich aus genau solchen Dingen.

Ich brauche jetzt erst einmal ein kleine Abkühlung und beim nächsten Mal werden wir uns etwas mehr mit den Menschen in Halifax befassen UND ich werde mir eine Tube Sonnencreme kaufen - für meine Unterarme gerade nur einen Tag zu spät.
Aaaah, Nordatlantik... Fühlt sich an wie... wie Wasser!











8 Kommentare:

  1. Mönsch Eicke! Was hast Du dich für Deinen Restaurantbesuch fein gemacht!! Und dann der Regen, welch ein Jammer. Die Frisur zerzaust und die Gesundheit (fast) ruiniert. Aber so leicht läßt Du dich nicht unterkriegen, gelle? Mach' das Beste draus!!

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    1. Läbbe is kein Bällchenbad, nicht wahr? Keine Sorge, ich bleibe auch weiterhin janz jeschmeidig. 'ß-]

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  2. hapyy birthdayyyyyyy to youuuuuuuuuuuu, happy birthday to youuuuuu, happy birthdayyyyyy, lieber eickeeeeeee, happy birthday to yooooouuuuuuuu :-) die melodie gibts später ;-)

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  3. Heute kann es regnen, stürmen oder schnein,
    denn du strahlst ja selber,wie der Sonnenschein.
    Heut ist dein Geburtstag, darum feiern wir,
    alle deine Freunde freuen sich mit dir,
    alle deine Freunde freuen sich mit dir.

    Nicht zu fassen, ich kenn' den Text noch ...!
    Falls Dir die liebliche Melodei nicht geläufig sein sollte, google mal den Rolf Zuckowski

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    1. Da google ich mal nicht. Das singst Du mir dann in der Red. vor... und dann schämen wir uns alle mirteinander ;)

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  4. und wann gehts endlich weiter????

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  5. Morgen (Donnerstag) gehts weiter mit lusdischen Geschischden aus Holzfällerhausen...

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