Freitag, 17. September 2010

GAY BIRDS AND SKIPPY'S ZOO




Die Bar
Der Campingplatz Undara unterscheidet sich in vielen Dingen von Richmond – zunächst einmal in Größe und Komfort. Um es in möglichst simple Worte zu kleiden: Es ist alles um ein vielfaches größer und komfortabler. Es gibt einen kleinen Supermarkt auf dem Gelände und eine sehr hübsch eingerichtete Bar, direkt angeschlossen an ein Restaurant. Die Begrenzungen von Bar und Restaurant werden an drei Seiten von ausgedienten Eisenbahnwaggons gebildet, die von einem Kunststoffdach in Größe eines halben Fußballfeldes überspannt werden, die vierte Seite ist volkommen offen und gibt den Blick auf die Wildnis frei. Ebenfalls anders ist die Vegetation in Undara. Die Anlage wurde mitten in den Busch gepflanzt, sodass sich die Stellplätze für Zelte und Wohnwagen hier nicht auf einer künstlich angelegten freien Grünfläche, sondern auf sandigem Boden zwischen vereinzelten Bäumen finden. Dadurch hat man tagsüber immer die Möglichkeit vor der brütenden Sonne in den Schatten zu flüchten, ist aber auch der heimischen Fauna sehr viel näher. Vögel sind allgegenwärtig und mitunter naseweis zutraulich. Immer wenn ich gerade denke: "Die Sorte Vogel kennste!", muss ich gleich darauf erkennen, dass eine Elster in Undara zwar den deutschen Elstern ähnelt – aber eben nur ähnelt. Weil mir kein bessere Analogie einfällt, schlage ich vor, Du stellst Dir eine Undara-Elster als deutsches Auto vor, dass man zum 'Aufmotzen' in die Hände eines italienischen Designers gegeben hat... die Linienführung ist irgendwie weicher. Es gibt aber auch größere Vögel aus der Rabenfamilie, die fast aussehen wie zu groß geratene Kolkraben, mit dem kleinen Unterschied, dass sie quittegelbe Augen haben. Diese Beinahe-Kolkraben sind besonders neugierig, untersuchen alles was gerade unbeaufsichtigt scheint auf eventuell Verwertbares und einer von ihnen hüpft sogar auf unseren Klapptisch, um den Inhalt des darauf befindlichen Kochtopfes in Augenschein zu nehmen. Offenbar ist er jedoch kein Freund von Fertiggerichten und hoppelt ganz ohne Beute wieder von dannen. Diese Beobachtung ist keine einseitige Angelegenheit. Ich beobachte die Raben und diese Viecher beobachten mich, ja wir beobachten einander beim Beobachten und hol's der Geier, hin und wieder sitzt einer auf Kopfhöhe in anderthalb Metern Entfernung auf einem Ast und sieht mir direkt in die Augen und scheint mich zum wer-blinzelt-zuerst-Wettbewerb herausfordern zu wollen. Wenn in diesem walnussgroßen Gehirn nicht mehr vorgeht als nur "Futter/Fortpflanzen/Fliegen" will ich nicht mehr Wally heißen.

Dann gibt es Schwärme von Papageien in allen Farben des Regenbogens – und eine Art, die sogar alle Farben des Regenbogens auf einmal zur Schau trägt. Ein sehr sympatischer Brauch der Rippenpoofes ist es, Tieren, die man nicht namentlich/speziestechnisch einordnen kann, selbst einen Namen zu geben – ganz nach gutem, alten Entdeckerbrauch (und die große Wahrscheinlichkeit ignorierend, dass die Art womöglich schon einen ganz anderen Namen besitzt). Diesem Brauch folgend taufe ich die Art der Regenbogen-Papageien auf den Namen "CSD-Vogel". Ein wenig später stellt sich heraus, dass ich mit dieser Benennung gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt bin, denn es handelt sich in der Tat um Rainbow-Lorikeets.

Es gibt natürlich nicht nur Vögel in Undara, sondern auch so ziemlich alles andere was kräucht und fleucht – kleine Schlangen (zum Glück nur sehr wenige), Echsen mit tiefblauen Zungen (noch weniger, etwa so groß wie die Raben), Spinnen in allen Größen und Farben, daumennagelgroße Laubfrösche (die sich gerne in den Nasszellen aufhalten), Ameisen über Ameisen und Fliegen über Fliegen über Fliegen über Fliegen, maaaaaassenweise Fliegen. Auch die Fliegen sind nicht die dümmsten und gehen Dir darum nicht permanent auf die Nerven, sondern sie warten ab, bis Du Essen zubereitest und gehen Dir dann erst auf die Nerven, dann aber richtig. Ganz besonder wild sind sie auf proteinreiche Nahrung – also Fleisch.
Gut ist, dass wir neben dem Zelt zum Wohnen und Schlafen noch ein zweites kleineres Zelt dabei haben, dessen Wandbespannung im wesentlichen aus Fliegengittern besteht und dort bereiten wir die Mahlzeiten. Weniger gut ist, dass Lord und Lady Rippenpoofe sich diesen eigentlich praktischen Umstand nicht so richtig nutzbar machen, weil sie mehr als nur einmal bei der Essenszubereitung die Türen des Fliegengitterzeltes nicht schließen. Manche würden solch ein Verhalten als Optimismus bezeichnen, andere nennen das wahrscheinlich Dummheit, ich hingegen bin im Urlaub, weit entfernt von derlei Kategorisierungen und mühe mich nach ungelenken Möglichkeiten das Fliegenproblem im Kochzelt zu lösen, indem ich versuche die Fliegen mit einem Plastikteller bewaffnet aus dem Zelt zu verscheuchen und dann den Eingang zu verschließen, während sich Lady Rippenpoofe über diesen grotesken (wie auch völlig nutzlosen) Tanz den Hintern ablacht. Von Ferne muss ich aussehen wie eine Mischung aus Drogenderwisch und Don Quichote, der sich zur Musik eines Dauergelächters zum Affen macht. Mit sich-zum-Affen-machen (gewollt oder ungewollt) hatte ich noch nie ein Problem und im Urlaub schon zweimal nicht.
Lady Rippenpoofe hat in diesem Fall natürlich doppelt gut Lachen, denn nicht nur der Vorgang des Kochens ist durch mein begleitendes Gehampel lächerlich, sondern auch das Essen selbst, was daran liegt, dass sie kein Fleisch isst. Während Lord Rippenpoofe und ich also auf unseren Klappstühlen sitzen, mit einer Hand die noodles with mincesauce in uns hineinschaufeln und mit der anderen Hand ununterbrochen wedelnd versuchen die Fliegen abzuwehren, sitzt Lady Rippenpoofe direkt nebendran mit ihrer vegetarischen Mahlzeit, von Fliegen nahezu unbehelligt, und sie kommt vor Lachen über unsere Wedelei kaum noch zum Essen. Lord Rippenpoofe ist irgendwann derart durch den Mittagessenfliegenterror genervt, dass er sogar mitsamt Teller die Flucht ins Auto antritt. Allerdings versäumt er es, beizeiten die Wagentür hinter sich zu schließen...

***
Undara hält neben Bar und Restaurant noch weitere Annehmlichkeiten parat, so z.B. einen Swimmingpool, der nicht etwa langweilig rechteckig, sondern in Form zweier sich überschneidender Kreise daherkommt. Einer der Kreise ist für kleine Nichtschwimmer gedacht (mit knietiefem Wasser) und der andere Kreis ist (zumindest für mich) auch nicht zum Ertrinken geeignet, weil er an seiner tiefsten Stelle nicht viel tiefer ist als ich lang bin. Aus unschwer ersichtlichen Gründen wird der Pool in dieser recht trockenen Gegend mit Salzwasser gespeist und er ist umgeben von einem hüfthohen Zaun, der die Tiere ringsum vom Baden (oder schlimmer noch, vom Trinken-und-sodann-am-Pool-Verenden) abhalten soll. 


Die Freizeitaktivität des Planschens ist wirklich einmal eine willkommene Abwechslung zu den sonstigen Dingen, die wir gemeinsam vornehmlich zur Mittagszeit unternehmen und deshalb machen wir auch reichlich Gebrauch davon. Weil ich immer noch nicht müde bin mich zum Affen zu machen, gehe ich besonders gerne mit Hut und Sonnenbrille ins Becken und finde dabei heraus, dass der Hersteller des Hightechtextils, aus dem mein Hut genäht ist, tatsächlich nicht übertrieben hat bei der Behauptung, das Ding sei wasserdicht. Passenderweise bezeichnet man Kopfbedeckungen dieser Form als "bucket hat" – und wahrhaftig, wenn man ihn umdreht, kann man ihn problemfrei wie einen Eimer (bucket) verwenden, ohne Wasser dabei zu verlieren. 


Ich liege wieder einmal ein Weilchen wohl behütet, bebrillt und wassergekühlt im Pool und blinzele träge in der Gegend umher, als sich unerwarteter Besuch einstellt. Mama Känguruh kommt mit ihren zwei Kindern vorbeigehoppelt – ein noch sehr kleines im Beutel und ein präpubertärer Selbsthoppeler. Vatern ist vermutlich noch im Büro... 
Warum habe ich keine Bilder davon? Weil meine Kamera nicht aus dem selben Material gemacht ist, wie mein Hut. Es handelt sich hier nicht um die so bez. Roten Riesenkänguruhs, sondern um ihre grauen Geschwister, die etwas kleiner sind. Diese Mama ist ungefähr 1,20m groß und zeigt nicht die geringste Scheu vor dem merkwürdig behüteten und bebrillten Seeelefanten hinter dem Metallzaun, sondern kommt bis auf wenige Meter heran, legt  sich gemütlich ins Gras, nippelt ein bisschen an den Halmen und schaut mir zu. Irgendwie erinnert mich die Situation an etwas, bei dem für gewöhnlich ich auf der anderen Seite des Zauns stehe und tumb in ein umzäuntes Gelände glotze.
Mama Känguruh macht mit den Kleinen einen Ausflug zum Menschenzoo, in dem diese unansehnlich nackten (und in diesem Fall bleichen) Zweibeiner hinter einer schützenden Barriere in Wasser eingelegt werden, wo man sie also auch halbwegs gefahrlos den Kinderchen einmal zeigen kann. In unseren Breiten geht man davon aus, das Wildtiere ein gesundheitliches Problem haben müssen, wenn sie sich ohne ersichtlichen Grund in die unmittelbare Nähe von Menschen begeben, das scheint hier aber nicht so zu sein, denn sobald ich meinen gut eingeweichten Körper aus dem Pool bewege, springt Mama Känguruh auf und trollt sich mit ihrem Anhang zurück in den Busch.
Natürlich wird man auch in Undara bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hingewisen, dass man den Tieren keinen Gefallen tut, wenn man sie füttert. Ich glaube allerdings dieser Hinweis geht leider an einigen Besuchern ungehört vorbei. An jedem Abend den wir in  Undara verbringen, bekommen wir an unserer Zeltstatt Besuch von einem Paddy Melon – einer sehr kleinen Känguruhart. Dieses hat ungefähr die Abmessungen eines viel zu dicken Dackels mit einem viel zu kleinen Kopf und zeigt ebenfalls nicht die geringste Scheu, sondern geht bei seiner Suche nach fallen gelassenen Leckerbissen wirklich auf Tuchfühlung und streift dabei sogar einmal das Bein des Lords. 
Wer beim Lesen dieser Zeilen jetzt aufspringt und Tickets nach Queensland bucht, vom Gedanken beseelt dort Minikängurus streicheln zu können, sei hiermit eindringlich gewarnt: Mitunter können diese plüschigen Wonneproppen garstige Parasiten mit sich herumschleppen, denen egal ist, woher das Blut kommt, dass sie zum Leben brauchen und noch egaler, was sie dabei an Krankheiten übertragen.


Die oberste Regel für den Besucher im australischen Busch lautet (und das wurde mir auch von meinen beiden Begleitern mehrfach ins Gedächtnis gehämmert): Egal ob Pflanze oder Tier! Wenn Du nicht mit absoluter Sicherheit WEISST, dass es ungefährlich ist, FASS ES NICHT AN!

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