Mittwoch, 15. September 2010

RAID OVER RICHMOND

Heute bin ich ausnahmsweise einmal nicht so gut gelaunt... nein, eigentlich bin ich im Augenblick total angefressen und ich finde, das darf bitte auch einmal vorkommen, nachdem ich (vom Ankunftstag in Sydney abgesehen) nichts als gelassenen Frohsinn verbreitet habe und beinahe immerzu für beinahe jeden ein breites, freundliches Lächeln mehr als nur übrig hatte.

Wenn krasse Veränderungen in komplexen Systemen (wie z.B. persönlichen Gefühlslagen) eintreten, liegt derlei Umbrüchen anscheinend nicht selten nur ein winzig kleiner Auslöser zugrunde. Ein amerikanischer Meteorologe prägte zur Veranschaulichung des Phänomens (anno tobak) den Begriff Schmetterlingseffekt, nach welchem der Flügelschlag eines Schmetterlings an einem Ende der Welt einen Wirbelsturm ganz woanders auf dem Planeten mitverursachen kann. Um diesen so unglaublich griffig bezeichneten Schmetterlingseffekt geistig zu durchdringen, muss man zunächst eine kleine Reise durch "Nichtlineare Dynamik" und/oder auch  "Deterministisches Chaos" unternehmen, was uns hier glücklicherweise erspart bleibt, weil mein momentanes Angefressensein nichts mit alledem zu tun hat – ich finde es aber dennoch schön, dass wir darüber gesprochen haben.

Meine derzeitiges Angefressensein... nein, meine verdammte Scheißlaune gründet auf einer vergleichsweise simplen Kausalitätskette, deren Schlüssel für das Umkippen meiner Stimmung – in einer wiederum vergleichsweise kurzen Zeitspanne – nicht mit Rundumlicht und Nebelhorn gekennzeichnet werden muss, um weithin sicht- und hörbar zu sein.

Nachdem wir gestern nachmittag von unserem sehr lustigen Fossickingausflug zum Zeltplatz zurückgekehrt waren, tat ich etwas, das in der brütenden Hitze nur eingeschränkt empfehlenswert ist: Ich öffnete mir eine Flasche Bier aus der Eisbox, (nicht nur) um den Wüstenstaub in meiner Kehle herunterzuspülen. Die große Hitze plus Alkohol plus mehrere Nächte mit wenig Schlaf in Folge zeitigten alsbald in dieser Zusammenstellung eine nahezu narkotisierende Wirkung. Bevor ich also Gefahr lief betäubt vom Campingstuhl zu kippen, schüttete ich schnell das Bier weg (d.h. in mich hinein), nahm meine Iso-Matte, legte mich in den Schatten hinter dem Zelt und schlief just in der Sekunde ein, in der mein Kopf die Matte berührte. Dabei muss ich wohl derart laut geschnarcht haben, dass sich die Zeltheringe ringsum im Boden lockerten. 
Ich schlief für Stunden den Schlaf der gerechten Wallies, bis ich kurz vor Sonnenuntergang von ein paar einheimischen Kindern geweckt wurde, die auf ihren quengelig knatternden Zweitakter-Dirtbikes in rund hundert Metern Entfernung durch den Busch bretterten.
Hatte ich zu der Zeit schon schlechte Laune? Nicht die Bohne!
Ich war frisch und ausgeruht und – das mag ich besonders gerne, wenn ich aus gerechtem Schlaf erwache – der Geruch vom soeben köchelnden Abendessen stieg mir in die Nase. Oh jawohl, die Rippenpoofes sorgten sehr liebevoll für mich. Kann ein schöner Tag noch viel besser ausklingen? Wir schmiedeten während des Essens noch den Plan, am nächsten Tag einen weiteren Campingplatz aufzusuchen und ich erkundigte mich (typisch deutsch) pflichtbewusst an der Rezeption des hiesigen Campinplatzes, wie früh am kommenden Morgen wir unsere Zelte abzubauen und zu verschwinden hätten. "Gegen 11" lautete die Auskunft mit dem zusätzlichen Hinweis, dass man diese Dinge hier nicht ganz so eng sähe und dass es auf ein oder zwei Stündchen gewisslich nicht ankäme. An dieser Stelle setzt nun die zuvor erwähnte Kausalitätskette ein. Nun, genau genommen beginnt sie schon mit dem Schlafmangel der vergangenen Nächte und dem daraus resultierenden Altherren-Nachmittagsschläfchen. Wegen desselben war ich ja wieder frisch, ausgeruht und bereit, schon wieder die ganze Nacht in den faszinierenden Sternenhimmel zu glotzen, Sternschnuppen zu zählen, die man hier im Abstand von wenigen Minuten zu sehen bekommt und Sternschnuppenwünsche auf Vorrat zu sammeln – stets in der Gewissheit lebend, dass ich am nächsten Tag ja gemütlich würde ausschlafen können.
*** 
Am nächsten Morgen (heute) um 7.30 Uhr (eastern standard time) spielt sich auf dem Campingplatz in Richmond folgende Szene ab: Die eigentlich immer auf Freundlichkeit bedachte Lady Rippenpoofe beratschlagt mit Ihrem Lord, wie man den seelig schlummernden Wally zu dieser gottlosen Tageszeit möglichst behutsam aufwecken könnte. Der Lord ist eher ein Freund unkomplizierter Lösungen für solcherlei Probleme, die durchaus effektiv aber mitunter auch weniger behutsam sind und brüllt (zwar außerhalb des Zeltes aber trotzdem quasi direkt neben meinem Bett stehend): "GET UP YOU LAZY BUGGER!" (übers. "Steh auf, Du faules Aas!")
Noch während ich durch dies Gebrüll aufgeschreckt versuche zur Besinnung zu kommen und noch bevor ich mir den Schlaf aus den Augen reiben kann, stelle ich fest, dass mir das Zelt buchstäblich über dem Kopf weggerissen wird. Wie von Harpyien gehetzt stopfe ich meine Klamotten in den Seesack, schlüpfe in meine Shorts und Schuhe, greife mir mein Zahnputzzeug und eile fluchtartig in den mehrfach beschriebenen Waschraum, wo ich neben der Zahnpflege auch noch für einige wenige Minuten den Notwendigkeiten meines Stoffwechsels nachkomme, um hernach zu einem bereits abgebauten (ritsch ratsch falt zapp klapp falt) und komplett im Auto verstauten (rumpel pumpel kofferraum-zuknall) Lagerplatz zurückzukehren. Netterweise lässt man mich noch in den gepackten Wagen einsteigen und die Tür schließen, bevor die Reise weitergeht. Der Grund für diesen brutalen Frühstart soll mir erst viel später klar werden – nützt aber nix. Schlechte Laune habe ich zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht, was aber allein dem Umstand geschuldet ist, dass ich noch nicht wach genug bin, um meine Gefühle überhaupt wahrnehmen zu können.
(to be continued)

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