Im rund 100km ostwärts von Richmond gelegenen Örtchen Hughenden machen wir einen kurzen Halt, um uns mit neuen Lebensmitteln, Getränken, aber auch Eiswürfeln im praktischen Vier-Liter-Plastiksack zu versorgen. Ohne Eis (das wir immer wieder, bei jeder sich bietenden Gelegenheit einkaufen) nützt dem Outback-Reisenden auch die schönste Eisbox nicht das Geringste.
Der Mann an der Kasse des Lebensmittelladens erkennt mich schnell als deutschen Touristen und verabschiedet mich sogar auf deutsch: "Feelan Donk mine Hair ond ouf Veederzayn!" Einerseits finde ich es wirklich nett, dass der Typ sich die Mühe macht, in meiner Muttersprache mit mir zu reden, auf der anderen Seite macht es mir schon wieder bewusst, dass mein deutscher Akzent doch recht aufdringlich sein muss. Schlimm ist das natürlich nicht, aber ungewohnt. Daheim hätte kein Schwabe, Bayer, Sachse, Hamburger, Saarländer (oder was auch immer) auch nur die geringste Chance, meine Herkunft anhand meines sprachlichen Singsangs ungefähr in irgendeinen Teil der Republik einzuordnen. Hier nun scheint es so zu sein, dass ein sprachlich blinkendes und trötendes Eisbein mit Sauerkraut über meinem Schädel rotiert.
Nachdem die Besorgungen getätigt und im Wagen verstaut sind, verlassen wir Hughenden in Richtung Norden. Der geteerte Highway endet schon bald und wir befahren nunmehr eine dieser rostroten Staubpisten, die sich über weite Strecken durch den Busch fressen und die ich bis dato nur aus Dokumentationen von National Geographic kannte. Die Müdigkeit fordert wieder ihren Tribut und ich bette mein dumpfes Haupt auf ein Badetuch, das ich über die neben mir auf der Rücksitzbank stehende Kühlbox gelegt habe und tatsächlich gelingt es mir für ein Weilchen einzudösen.
Ein Problemchen an diesen rostroten Staubpisten ist, dass sie hie und da von kürzeren geteerten Wegstrecken abgelöst werden. Das mag zunächst nicht allzu problematisch erscheinen, ist es aber, wenn man versucht mit dem Kopf auf der Kühlbox zu schlafen, während dieselbe, der Wagen und ich darin mit etwa 80 Stundenkliometern i.e. Getöse über die Schwellen von Staubpiste zu Teerpiste und später zurück von Teerpiste zu Staubpiste poltert. Massenträgheit: Dolle Sache! Bei jeder Schwelle aufwärts knallt erst die Kühlbox von unten an meinen Schädel, der wiederum durch diesen Impuls beschleunigt in Richtung Wagendecke abhebt, bei jeder Schwelle abwärts sackt die Kühlbox kurz unter meinem Kopf weg, der dann massenträge verzögert der Schwerkraft folgend wieder auf die Kühlbox knallt. Nach der vierten oder fünften Erfahrung dieser Art verabschiede ich mich von der prinzipiell guten Idee eines Nickerchens und starre triefäugig und drieselig in den vorbeiziehenden Busch.
Während wir nun gemeinsam durch den rostroten Busch rumpeln, können wir uns wieder ein wenig mit australischen Eigenheiten beschäftigen – Abkürzungen und Verniedlichungen: Die Menschen hier scheinen davon geradezu besessen zu sein. So nennt man eine Kühlbox z.B. "Esky", was vermutlich eine Koseform von Eskimo sein soll (und eigentlich ein Schimpfwort ist). Die Sonnenbrille (sunglasses) nennt man "sunnies", wenn etwas gemütlich oder angenehm (comfortable) ist, sagt man dazu "comfy", der Grill/das Grillfest (barbecue) wird wahrhaftig "Barbie" genannt, und und und...
Ganz besonders hübsch finde ich den Ausdruck "pommy", der nicht etwa eine wunderschöne Kartoffel, sondern tatsächlich den gemeinen Briten bezeichnen soll. Wie das?
Nun, als stolzer Australier betrachtet man wohl gerne das britische Inselvolk ein wenig herablassend und verunglimpft es ironisch als "Prisoners Of the Monarchy" (Inhaftierte der Monarchie) – kurz P.O.M. Die Australier, die das so als noch nicht verunglimpfend genug erachten, erklären das selbe Akronym mit "Pervs Of the Monarchy" (Perverslinge der Monarchie) und diejenigen Australier, die von Verniedlichungen besessen sind (also eigentlich alle), machen daraus eben "pommy".
Bemerkenswert an der weltpolitischen Stellung des Landes ist, dass Australien noch immer ein hochoffizieller Teil des britischen Commonwealth ist und ich kann bloß vermuten, dass daher auch der Wind der teils ironischen, teils bitteren Herablassung weht, denn der stolze Australier an und für sich will eigentlich eher nichts mit der ganzen Royalty-Kiste am Hut haben. Nichtsdestotrotz kann nach meinem Kenntnisstand bis heute noch kein Gesetz vom australischen Parlament verabschiedet werden, wenn die britische Lisbeth nicht huldvoll mit dem Kopf dazu genickt hat. Anderenorts sagt man dazu ratifizieren, glaube ich...
Vier Stunden später rumpeln wir immer noch durch den vorbeiziehenden Busch und ich bin jetzt endlich am scharf abfallenden Rand meiner bislang verträglichen Laune angelangt. "Zu einem anderen Campingplatz fahren" klang in meinen Ohren nach einer Sache von ein bis zwei Stündchen und wir sind nach nunmehr vier Stunden noch nicht einmal in Sichtweite von irgendetwas. Ich lasse mir von der Lady eine Straßenkarte geben, und rechne still in mich hineingrummelnd, während sich ein graustinkendes Wölkchen über meinem Kopf zusammenbraut: 80kmh x 4Std. potenziert mit Alarmwecken um halb8 + gefechtsmäßigem Aufbruch = (... 2 hin 1 im Sinn) eine verdammtverdammt miese Dreckslaune und auf der Straßenkarte gezirkelt noch einmal ca. 4 Stunden Rumpelei bis Undara, also dem designierten Ziel dieser Fahrt. Ich habe offenbar noch immer nicht verinnerlicht, wo zum Donner ich mich hier befinde: IN AUSTRALIEN – das Land, in dem man auch schon mal zwei Stunden bis zum Bäcker fährt, um sich ein Puddingteilchen und eine Tüte Gummischlangen zu kaufen, um wieder zu Hause angekommen noch einmal umzukehren, weil man erwägt, dass zwei Puddingteilchen ja zweimal besser sind als nur eins. Mein wachsender Unmut, den ich unter Aufbringung aller mir möglichen Selbstkontrolle nur sehr zurückhaltend äußere, scheint den Lord zu belustigen oder vielleicht denkt er bloß gerade an Puddingteilchen – jedenfalls sehe zum ersten Mal, seit er hinter dem Steuer sitzt, ein fröhliches Lächeln über sein Gesicht huschen.
Dem Unmut folgt zähflüssiger Fatalismus, seinerseits gefolgt von einem kleinen bisschen Wahnsinn, als wir einen Wegweiser passieren, der das Örtchen Hughenden anzeigt (von wo wir aufgebrochen sind) UND ZWAR IN UNSERER FAHRTRICHTUNG! Nunja, die Sache mit der Beschilderung von Dingen haben die Aussies noch nicht so richtig im Griff. Wir sind also nicht etwa im Kreis gefahren, sondern die Beschilderung ist schlicht und ergreifend Mumpitz. Nach ingesamt rund sieben Stunden Backenplattsitzens sehe ich das erste – nein, das einzig vernünftige, das wundervollste Straßenschild der gesamten Reise. Darauf steht in schwarz auf gelb und in vollkommen unsarkastischen Großbuchstaben: ROAD ENDS. Wir sind endlich angekommen.
Später am Abend dieses anstrengenden Tages geschieht es nun, dass Lord Rippenpoofe (beholder of the swearjar) am Lagerfeuerchen neben dem Zelt sitzend seine Bierdose und seine Stimme erhebt, um folgende Ode zum Besten zu geben:
Der Mann an der Kasse des Lebensmittelladens erkennt mich schnell als deutschen Touristen und verabschiedet mich sogar auf deutsch: "Feelan Donk mine Hair ond ouf Veederzayn!" Einerseits finde ich es wirklich nett, dass der Typ sich die Mühe macht, in meiner Muttersprache mit mir zu reden, auf der anderen Seite macht es mir schon wieder bewusst, dass mein deutscher Akzent doch recht aufdringlich sein muss. Schlimm ist das natürlich nicht, aber ungewohnt. Daheim hätte kein Schwabe, Bayer, Sachse, Hamburger, Saarländer (oder was auch immer) auch nur die geringste Chance, meine Herkunft anhand meines sprachlichen Singsangs ungefähr in irgendeinen Teil der Republik einzuordnen. Hier nun scheint es so zu sein, dass ein sprachlich blinkendes und trötendes Eisbein mit Sauerkraut über meinem Schädel rotiert.
Nachdem die Besorgungen getätigt und im Wagen verstaut sind, verlassen wir Hughenden in Richtung Norden. Der geteerte Highway endet schon bald und wir befahren nunmehr eine dieser rostroten Staubpisten, die sich über weite Strecken durch den Busch fressen und die ich bis dato nur aus Dokumentationen von National Geographic kannte. Die Müdigkeit fordert wieder ihren Tribut und ich bette mein dumpfes Haupt auf ein Badetuch, das ich über die neben mir auf der Rücksitzbank stehende Kühlbox gelegt habe und tatsächlich gelingt es mir für ein Weilchen einzudösen.
Ein Problemchen an diesen rostroten Staubpisten ist, dass sie hie und da von kürzeren geteerten Wegstrecken abgelöst werden. Das mag zunächst nicht allzu problematisch erscheinen, ist es aber, wenn man versucht mit dem Kopf auf der Kühlbox zu schlafen, während dieselbe, der Wagen und ich darin mit etwa 80 Stundenkliometern i.e. Getöse über die Schwellen von Staubpiste zu Teerpiste und später zurück von Teerpiste zu Staubpiste poltert. Massenträgheit: Dolle Sache! Bei jeder Schwelle aufwärts knallt erst die Kühlbox von unten an meinen Schädel, der wiederum durch diesen Impuls beschleunigt in Richtung Wagendecke abhebt, bei jeder Schwelle abwärts sackt die Kühlbox kurz unter meinem Kopf weg, der dann massenträge verzögert der Schwerkraft folgend wieder auf die Kühlbox knallt. Nach der vierten oder fünften Erfahrung dieser Art verabschiede ich mich von der prinzipiell guten Idee eines Nickerchens und starre triefäugig und drieselig in den vorbeiziehenden Busch.
Während wir nun gemeinsam durch den rostroten Busch rumpeln, können wir uns wieder ein wenig mit australischen Eigenheiten beschäftigen – Abkürzungen und Verniedlichungen: Die Menschen hier scheinen davon geradezu besessen zu sein. So nennt man eine Kühlbox z.B. "Esky", was vermutlich eine Koseform von Eskimo sein soll (und eigentlich ein Schimpfwort ist). Die Sonnenbrille (sunglasses) nennt man "sunnies", wenn etwas gemütlich oder angenehm (comfortable) ist, sagt man dazu "comfy", der Grill/das Grillfest (barbecue) wird wahrhaftig "Barbie" genannt, und und und...
Ganz besonders hübsch finde ich den Ausdruck "pommy", der nicht etwa eine wunderschöne Kartoffel, sondern tatsächlich den gemeinen Briten bezeichnen soll. Wie das?
Nun, als stolzer Australier betrachtet man wohl gerne das britische Inselvolk ein wenig herablassend und verunglimpft es ironisch als "Prisoners Of the Monarchy" (Inhaftierte der Monarchie) – kurz P.O.M. Die Australier, die das so als noch nicht verunglimpfend genug erachten, erklären das selbe Akronym mit "Pervs Of the Monarchy" (Perverslinge der Monarchie) und diejenigen Australier, die von Verniedlichungen besessen sind (also eigentlich alle), machen daraus eben "pommy".
Bemerkenswert an der weltpolitischen Stellung des Landes ist, dass Australien noch immer ein hochoffizieller Teil des britischen Commonwealth ist und ich kann bloß vermuten, dass daher auch der Wind der teils ironischen, teils bitteren Herablassung weht, denn der stolze Australier an und für sich will eigentlich eher nichts mit der ganzen Royalty-Kiste am Hut haben. Nichtsdestotrotz kann nach meinem Kenntnisstand bis heute noch kein Gesetz vom australischen Parlament verabschiedet werden, wenn die britische Lisbeth nicht huldvoll mit dem Kopf dazu genickt hat. Anderenorts sagt man dazu ratifizieren, glaube ich...
Vier Stunden später rumpeln wir immer noch durch den vorbeiziehenden Busch und ich bin jetzt endlich am scharf abfallenden Rand meiner bislang verträglichen Laune angelangt. "Zu einem anderen Campingplatz fahren" klang in meinen Ohren nach einer Sache von ein bis zwei Stündchen und wir sind nach nunmehr vier Stunden noch nicht einmal in Sichtweite von irgendetwas. Ich lasse mir von der Lady eine Straßenkarte geben, und rechne still in mich hineingrummelnd, während sich ein graustinkendes Wölkchen über meinem Kopf zusammenbraut: 80kmh x 4Std. potenziert mit Alarmwecken um halb8 + gefechtsmäßigem Aufbruch = (... 2 hin 1 im Sinn) eine verdammtverdammt miese Dreckslaune und auf der Straßenkarte gezirkelt noch einmal ca. 4 Stunden Rumpelei bis Undara, also dem designierten Ziel dieser Fahrt. Ich habe offenbar noch immer nicht verinnerlicht, wo zum Donner ich mich hier befinde: IN AUSTRALIEN – das Land, in dem man auch schon mal zwei Stunden bis zum Bäcker fährt, um sich ein Puddingteilchen und eine Tüte Gummischlangen zu kaufen, um wieder zu Hause angekommen noch einmal umzukehren, weil man erwägt, dass zwei Puddingteilchen ja zweimal besser sind als nur eins. Mein wachsender Unmut, den ich unter Aufbringung aller mir möglichen Selbstkontrolle nur sehr zurückhaltend äußere, scheint den Lord zu belustigen oder vielleicht denkt er bloß gerade an Puddingteilchen – jedenfalls sehe zum ersten Mal, seit er hinter dem Steuer sitzt, ein fröhliches Lächeln über sein Gesicht huschen.
Dem Unmut folgt zähflüssiger Fatalismus, seinerseits gefolgt von einem kleinen bisschen Wahnsinn, als wir einen Wegweiser passieren, der das Örtchen Hughenden anzeigt (von wo wir aufgebrochen sind) UND ZWAR IN UNSERER FAHRTRICHTUNG! Nunja, die Sache mit der Beschilderung von Dingen haben die Aussies noch nicht so richtig im Griff. Wir sind also nicht etwa im Kreis gefahren, sondern die Beschilderung ist schlicht und ergreifend Mumpitz. Nach ingesamt rund sieben Stunden Backenplattsitzens sehe ich das erste – nein, das einzig vernünftige, das wundervollste Straßenschild der gesamten Reise. Darauf steht in schwarz auf gelb und in vollkommen unsarkastischen Großbuchstaben: ROAD ENDS. Wir sind endlich angekommen.
Später am Abend dieses anstrengenden Tages geschieht es nun, dass Lord Rippenpoofe (beholder of the swearjar) am Lagerfeuerchen neben dem Zelt sitzend seine Bierdose und seine Stimme erhebt, um folgende Ode zum Besten zu geben:
Wally is a friendly guy
And almost always happy
But sitting in the car for five* hours
That really made him snappy
* zu Gunsten des Beinahe-Reimschemas wurden hier zwei Stunden unterschlagen
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