Wozu der Vortrag? Am Ende des Kapitels werdet Ihr es verstehen.
***
Noch durch den Reißzwecken-Effekt belastet humpelte ich vor ein paar Tagen durch die Nachmittagsschwüle und den Portside Park über die Waterfront in Richtung Canada Place.
(Höre ich da aus der Leserschaft ein "Laaaangweilig! Nicht noch ein Spaziergang, Du Popelkopp!" Ich bitte um Verzeihung und um noch ein klein wenig Geduld.)
Die Strecke zwischen Portside Park und Canada Place war beinahe vollkommen menschenleer, was mir zunächst seltsam erschien, denn der Canada Place ist mit einer der belebtesten Orte in Vancouver überhaupt.
In direkter Nachbarschaft des dicken Dampfers, den man links auf dem Panoramabild sehen kann, wurde ich Zeuge einer Bodhi Meditation Liberation Ceremony. Bitte fragt mich nicht, was sie zu bedeuten hat. Ich habe lediglich herausgefunden, dass dies eine Art buddhistische Andacht ist und hätte nicht eine der dort anwesenden Damen freundlicherweise das Pappschild hochgehalten, wüsste ich noch nicht einmal den Namen der Zeremonie.
Von einem Polizisten in Shorts beobachtet, standen dort in der sonstigen Menschenödnis etwa 150 Leute am Wasser, vornehmlich asiatischer Abstammung, viele davon in bordeauxrot gekleidet, und sangen. Von Ferne erinnerte mich das an eine Szene aus "Unheimliche Begegnung der Dritten Art", in der eine ähnlich große Gruppe ein und die selbe Tonfolge wieder und wieder anstimmt. Zwischendurch wurde applaudiert und ein Mensch im buddhistischen Mönchsgewand sprach dazu über Lautsprecher in einer mir fremden Sprache zu den Andächtigen. Die beschränkten sich aber nicht auf Dumm-Herumstehen und Singen, sondern traten, ähnlich dem christlichen Abendmahl, einer nach dem anderen vor, jedoch auf einen Bootsanleger (und nicht zum Alter), auf dem sie von weiteren, in religiöse Kutten gewandete Menschen erwartet wurden. Ebenfalls anders als beim Abendmahl nahmen sie dort keine Oblaten, sondern tote Fische aus bereitstehenden Kunststoffboxen in Empfang - jeder einen. Mit dem leblosen Tier bewaffnet ging man sodann zum Ende des Anlegers und ließ es sanft ins Wasser gleiten. Durch Zufall bemerkte ich einen Fischotter, der an just dieser Stelle im Hafenbecken seine Runden drehte und wahrscheinlich gerade dachte, er hätte im Lotto gewonnen. Zu blöd nur, dass er bestimmt keinen Kühlschrank hat... Was sonst könnte man als Kölner wohl zu der ganzen Veranstaltung sagen als: "Jede Jeck es anders" und natürlich begleitend mit den Schultern zucken.
Nach ein paar Minuten und ein paar Fotos humpelte ich weiter an der Waterfront entlang und fand schon bald die Erklärung dafür, dass hier (außer den Bodhi-Buben und -Mädels) kaum ein Mensch anzutreffen ist. Der gesamte Canada Place, mit dem Convention-/Congress-/Was-weiß-ich-noch-alles Center ist nicht auf Meeresniveau gebaut, wie der verlassene Ostteil auf dem ich mich befand, sondern quasi ein Stockwerk darüber, sodass sich das ganze Touristenpack von der West Waterfront Promenade gar nicht hierher verirren kann, weil sie zumnidest rein optisch am Canada Place endet. Dä! Einmal mehr holt mich die Architektur ein und in diesem Fall finde sogar ich ignoranter Schnösel das ziemlich beindruckend.
Die korrespondierenden Bilder sind also nicht in einem Tunnel oder einer einzelnen Tiefgarage entstanden, sondern zeigen die Unterseite eines riesigen Platzes mitsamt diverser Gebäudekomplexe darauf. Ich denke, man kann auch ganz gut erkennen, dass- und warum Touristen sich eigentlich nicht an diesen Ort verlaufen sollen: nackter Beton, hässliche blecherne Wartungsrohe, Kabel- und Lüftungsschächte und - nur logisch - Lieferantenzufahrten für die Menschen und Güter, ohne die der Platz ein Stockwerk höher überhaupt nicht funktionieren könnte.
Nachdem ich einen Durchgang passiert hatte, befand ich mich wieder unter freien Himmel und nicht nur am Ende der erwähnten Promenade, sondern durch puren Zufall auch am Floatplane Terminal, wo eine kleine Flotte von einmotorigen Wasserflugzeugen liegt. Schon bei meinem Marsch um Stanley Park vor ein paar Tagen waren mir die über dem Burrard Inlet kreisenden Fliegerchen aufgefallen. So richtig hatte es da aber noch nicht bei mir geklickt. Das passierte erst, als ich den Propellermaschinen ein Weilchen beim Starten und Landen zusah und mein völlig unzweifelhaft magischer mp3-Player mir währenddessen "Come Fly With Me" von Sinatra in die Ohren goss. Außerdem gingen mir ja allmählich die Straßen Vancouvers aus, deshalb...
Die Anmeldung von Tofino Air ist direkt beim Liegeplatz der Wasserflugzeuge, also nix wie hin da und gebucht! Dachte ich...
Jedoch fliegt Tofino (verständlicherweise) nicht mit nur einem einzelnen Fluggast und so konnte ich bloß hoffen einen Flug zu bekommen, an den ich mich "anhängen" könnte, oder aber ich müsste selbst wenigstens einen weiteren Mitflieger finden. Der einzige den ich hier ein bisschen näher kennengelernt habe, ist Daren - mein "Smokebuddy", dem ich hin und wieder bei einer Zigarette vor dem Hotel begegne. Der war allerdings nur mäßig interessiert. Ich rief also ein paar Tage in Folge bei Tofino an, um mich nach Mitfluggelegenheiten zu erkundigen... bis dann auch noch das Wetter anfing zu nerven... Propellerflug ohne sehen zu können, ist wie mit verbundenen Augen auf dem laufenden Wäschetrockner sitzen... es kribbelt lustig am Popo, darüber hinaus jedoch ist es nicht sonderlich aufregend.
Heute aber, JETZT ist die Warterei vorbei. Es endlich so weit!
Ich habe mir extra den Wecker gestellt, um möglichst früh bei Tofino Air anrufen zu können und habe ääändlich einen Jumpseat bekommen (wie wir Fliegernerds gerne sagen). Der Himmel ist für die geringe Flughöhe gerade richtig - nicht zu wolkenfrei, nicht zu waschküchig und ich bekomme eine 45-minütige Tour kurz vor Sonnenuntergang über Teile der Stadt, die Berge im Nordwesten, den False Creek und natürlich das Burrard Inlet (letzters ist unumgänglich, denn dort wird gestartet und gewassert).
Dieser Rundflug ist aber nicht ausschließlich zum Vergnügen gedacht, sondern genau wie die Brückenkletterei im letzten Jahr, soll er einen therapeutischen Zweck erfüllen. 2010 habe ich mich mit meiner Akrophobie auseinandergesetzt, 2011 nun soll es die Klaustrophobie sein. Obwohl ich ein ausgeprägtes Interesse an Flugapparaten und allem was damit zusammenhängt habe, empfinde ich das Fliegen selbst als nicht sonderlich angenehm. Das gilt insbesondere für Linienflüge über sehr lange Strecken... Mein ganzes Unwohlsein dabei gründet im Nicht-Hinauskönnen - und je enger der abgeschlossene Raum, desto größer das Unwohlsein.
Das (tatsächlich urkanadische) Flugzeug, in das ich im Begriff bin einzusteigen, ist eine von Transport- zu Passagiermaschine umgebaute De Havilland Beaver, mit sechs Sitzplätzen (gepolsterte Klappstühle ohne Kopfstützen (für Zwerge!)) und einem kaum geräuschgedämpften 9Zylinder-Sternmotor mit 450 PS Leistung, dessen brubbelnden Schalldruck man noch in 50 Metern Entfernung in der Magengegend spüren kann. Im Grunde ist es nicht mehr, als ein furchtbar lauter, gnadenlos übermotorisierter VW-Bulli T1 mit popgenieteten Tragflächen aus fimschigem Alublech an den Seiten und bananenförmigen Schwimmkörpern anstelle von Rädern. Ick steh total uff dat Ding!
Im Wartebereich von Tofino Air lerne ich meine Mitflieger kennen - ein sehr junges Pärchen aus der Schweiz. Ich stelle mich den beiden vor und lasse meinen ganzen Charme sprühen (zugegeben, so viel ist das nicht), um die beiden ein bisschen aus der Reserve zu locken. Sie wollen sich aber nicht recht locken lassen und deshalb dränge ich mich auch nicht weiter auf. Was ich erfahre ist, dass die junge Frau heute Gebutstag feiert und der Rundflug ist eines ihrer Geschenke. Insgeheim freue ich mich darüber, es mit einem Pärchen zu tun zu haben, denn (Pärchen stinken, Pärchen lügen, Pärchen winken und fahr'n nach Rügen) Pärchen möchten immerzu alles gemeinsam händchenhaltend erleben und das wiederum bedeutet (hihihiii)... dazu komme ich gleich noch.
Unser Pilot (Typ: Matt LeBlanc) betritt die Szene. Sein Name ist Maxos und er spricht trotz griechisch klingendem Namen mit starkem französischen Akzent. Zunächst betet er pflichtbewusst die Notfallprozeduren mit Schwimmwesten und dergleichen herunter, und das klingt in Originallänge (mit Originalakzent) so: "Sies ar se döörs. In cäis öf än imörschonßie-wotering yü püll sis lävver tu öpen. Did yü onderstände? Very güüd. Dü yü gais nöu 'au to jüs ä laif-vest? Excellon!"
Ende der Einweisung.
Nun erklärt uns Maxos, wie für gewöhnlich die Sitzverteilung bei einem Flug mit drei Passagieren aussieht - nämlich: einer vorn, einer in der Mitte und einer hinten, sodass alle jederzeit an beiden Seiten des Flugzeugs hinausschauen können, aber er fügt noch hinzu "önless tü öf yü priföre tü sit tügäser" (übers. "es sai denn, ßwei vön Eusche möschtön libör ßusammon sitzön")
Ha! Doppelha! (und nochmals hihihiii)
Natürlich wollen die beiden schwiezerr Schockchiehasen (das Pärchen) beieinander sitzen und also fragt Maxos mich, ob ich vielleicht den Sitz neben dem Piloten einnehmen möchte. Genaugenommen kommt er gar nicht dazu, die Frage vollständig auszuformulieren, weil ich schon längst da sitze.
Maxos besteigt den Pilotensitz, wirft die Türen des fliegenden VW-Bullis scheppernd ins Schloss und ich warte darauf, dass mich das eingesperrte Unwohlsein überkommt, das von kalten Schweißausbrüchen und Übelkeit begleitet wird.
Schon die australische Höhenangsttherapie im letzten Jahr hat gezeigt, dass wenn ich mich halbwegs motiviert und entspannt mit solcherlei Dingen beschäftige, nichts anderes als innere Ruhe dabei herauskommt - und so ist es auch jetzt, in diesem barbarisch lauten, vibrierenden und klappernden Ersatzteillager. Eigentlich ist es sogar noch besser. In der Sekunde, in der ich mich auf den gepolsterten Klappstuhl (für Zwerge) fallen lasse, fühle ich mich wie zu Hause. Ich könnte mich eigentlich nur noch mehr wie zu Hause fühlen, wenn ich auf dem Pilotensitz säße.
Der olle Pratt&Whitney Motor ist spotzblubberig angesprungen, ich zucke drei bis viermal mit der Augenbraue, wir rumpeln über die Wellen des Inlets, heben langsam ab und ich bin derart entspannt, dass ich glatt wegdösen könnte. Wenn das ginge, würde ich in der mir noch verbleibenden Zeit in Vancouver das Hotelzimmer gegen diesen gepolsterten Klappstuhl (für Zwerge) eintauschen.
Für fünf Minuten nehme ich Euch mit. Haltet Euch bloß die Ohren gut zu! (oder aber stellt die Lautsprecher auf leise)
(Höre ich da aus der Leserschaft ein "Laaaangweilig! Nicht noch ein Spaziergang, Du Popelkopp!" Ich bitte um Verzeihung und um noch ein klein wenig Geduld.)
Die Strecke zwischen Portside Park und Canada Place war beinahe vollkommen menschenleer, was mir zunächst seltsam erschien, denn der Canada Place ist mit einer der belebtesten Orte in Vancouver überhaupt.
In direkter Nachbarschaft des dicken Dampfers, den man links auf dem Panoramabild sehen kann, wurde ich Zeuge einer Bodhi Meditation Liberation Ceremony. Bitte fragt mich nicht, was sie zu bedeuten hat. Ich habe lediglich herausgefunden, dass dies eine Art buddhistische Andacht ist und hätte nicht eine der dort anwesenden Damen freundlicherweise das Pappschild hochgehalten, wüsste ich noch nicht einmal den Namen der Zeremonie.
Von einem Polizisten in Shorts beobachtet, standen dort in der sonstigen Menschenödnis etwa 150 Leute am Wasser, vornehmlich asiatischer Abstammung, viele davon in bordeauxrot gekleidet, und sangen. Von Ferne erinnerte mich das an eine Szene aus "Unheimliche Begegnung der Dritten Art", in der eine ähnlich große Gruppe ein und die selbe Tonfolge wieder und wieder anstimmt. Zwischendurch wurde applaudiert und ein Mensch im buddhistischen Mönchsgewand sprach dazu über Lautsprecher in einer mir fremden Sprache zu den Andächtigen. Die beschränkten sich aber nicht auf Dumm-Herumstehen und Singen, sondern traten, ähnlich dem christlichen Abendmahl, einer nach dem anderen vor, jedoch auf einen Bootsanleger (und nicht zum Alter), auf dem sie von weiteren, in religiöse Kutten gewandete Menschen erwartet wurden. Ebenfalls anders als beim Abendmahl nahmen sie dort keine Oblaten, sondern tote Fische aus bereitstehenden Kunststoffboxen in Empfang - jeder einen. Mit dem leblosen Tier bewaffnet ging man sodann zum Ende des Anlegers und ließ es sanft ins Wasser gleiten. Durch Zufall bemerkte ich einen Fischotter, der an just dieser Stelle im Hafenbecken seine Runden drehte und wahrscheinlich gerade dachte, er hätte im Lotto gewonnen. Zu blöd nur, dass er bestimmt keinen Kühlschrank hat... Was sonst könnte man als Kölner wohl zu der ganzen Veranstaltung sagen als: "Jede Jeck es anders" und natürlich begleitend mit den Schultern zucken.
Nach ein paar Minuten und ein paar Fotos humpelte ich weiter an der Waterfront entlang und fand schon bald die Erklärung dafür, dass hier (außer den Bodhi-Buben und -Mädels) kaum ein Mensch anzutreffen ist. Der gesamte Canada Place, mit dem Convention-/Congress-/Was-weiß-ich-noch-alles Center ist nicht auf Meeresniveau gebaut, wie der verlassene Ostteil auf dem ich mich befand, sondern quasi ein Stockwerk darüber, sodass sich das ganze Touristenpack von der West Waterfront Promenade gar nicht hierher verirren kann, weil sie zumnidest rein optisch am Canada Place endet. Dä! Einmal mehr holt mich die Architektur ein und in diesem Fall finde sogar ich ignoranter Schnösel das ziemlich beindruckend.
Underneath Canada Place |
Nachdem ich einen Durchgang passiert hatte, befand ich mich wieder unter freien Himmel und nicht nur am Ende der erwähnten Promenade, sondern durch puren Zufall auch am Floatplane Terminal, wo eine kleine Flotte von einmotorigen Wasserflugzeugen liegt. Schon bei meinem Marsch um Stanley Park vor ein paar Tagen waren mir die über dem Burrard Inlet kreisenden Fliegerchen aufgefallen. So richtig hatte es da aber noch nicht bei mir geklickt. Das passierte erst, als ich den Propellermaschinen ein Weilchen beim Starten und Landen zusah und mein völlig unzweifelhaft magischer mp3-Player mir währenddessen "Come Fly With Me" von Sinatra in die Ohren goss. Außerdem gingen mir ja allmählich die Straßen Vancouvers aus, deshalb...
Die Anmeldung von Tofino Air ist direkt beim Liegeplatz der Wasserflugzeuge, also nix wie hin da und gebucht! Dachte ich...
Jedoch fliegt Tofino (verständlicherweise) nicht mit nur einem einzelnen Fluggast und so konnte ich bloß hoffen einen Flug zu bekommen, an den ich mich "anhängen" könnte, oder aber ich müsste selbst wenigstens einen weiteren Mitflieger finden. Der einzige den ich hier ein bisschen näher kennengelernt habe, ist Daren - mein "Smokebuddy", dem ich hin und wieder bei einer Zigarette vor dem Hotel begegne. Der war allerdings nur mäßig interessiert. Ich rief also ein paar Tage in Folge bei Tofino an, um mich nach Mitfluggelegenheiten zu erkundigen... bis dann auch noch das Wetter anfing zu nerven... Propellerflug ohne sehen zu können, ist wie mit verbundenen Augen auf dem laufenden Wäschetrockner sitzen... es kribbelt lustig am Popo, darüber hinaus jedoch ist es nicht sonderlich aufregend.
***
Heute aber, JETZT ist die Warterei vorbei. Es endlich so weit!
Ich habe mir extra den Wecker gestellt, um möglichst früh bei Tofino Air anrufen zu können und habe ääändlich einen Jumpseat bekommen (wie wir Fliegernerds gerne sagen). Der Himmel ist für die geringe Flughöhe gerade richtig - nicht zu wolkenfrei, nicht zu waschküchig und ich bekomme eine 45-minütige Tour kurz vor Sonnenuntergang über Teile der Stadt, die Berge im Nordwesten, den False Creek und natürlich das Burrard Inlet (letzters ist unumgänglich, denn dort wird gestartet und gewassert).
Dieser Rundflug ist aber nicht ausschließlich zum Vergnügen gedacht, sondern genau wie die Brückenkletterei im letzten Jahr, soll er einen therapeutischen Zweck erfüllen. 2010 habe ich mich mit meiner Akrophobie auseinandergesetzt, 2011 nun soll es die Klaustrophobie sein. Obwohl ich ein ausgeprägtes Interesse an Flugapparaten und allem was damit zusammenhängt habe, empfinde ich das Fliegen selbst als nicht sonderlich angenehm. Das gilt insbesondere für Linienflüge über sehr lange Strecken... Mein ganzes Unwohlsein dabei gründet im Nicht-Hinauskönnen - und je enger der abgeschlossene Raum, desto größer das Unwohlsein.
Das (tatsächlich urkanadische) Flugzeug, in das ich im Begriff bin einzusteigen, ist eine von Transport- zu Passagiermaschine umgebaute De Havilland Beaver, mit sechs Sitzplätzen (gepolsterte Klappstühle ohne Kopfstützen (für Zwerge!)) und einem kaum geräuschgedämpften 9Zylinder-Sternmotor mit 450 PS Leistung, dessen brubbelnden Schalldruck man noch in 50 Metern Entfernung in der Magengegend spüren kann. Im Grunde ist es nicht mehr, als ein furchtbar lauter, gnadenlos übermotorisierter VW-Bulli T1 mit popgenieteten Tragflächen aus fimschigem Alublech an den Seiten und bananenförmigen Schwimmkörpern anstelle von Rädern. Ick steh total uff dat Ding!
Im Wartebereich von Tofino Air lerne ich meine Mitflieger kennen - ein sehr junges Pärchen aus der Schweiz. Ich stelle mich den beiden vor und lasse meinen ganzen Charme sprühen (zugegeben, so viel ist das nicht), um die beiden ein bisschen aus der Reserve zu locken. Sie wollen sich aber nicht recht locken lassen und deshalb dränge ich mich auch nicht weiter auf. Was ich erfahre ist, dass die junge Frau heute Gebutstag feiert und der Rundflug ist eines ihrer Geschenke. Insgeheim freue ich mich darüber, es mit einem Pärchen zu tun zu haben, denn (Pärchen stinken, Pärchen lügen, Pärchen winken und fahr'n nach Rügen) Pärchen möchten immerzu alles gemeinsam händchenhaltend erleben und das wiederum bedeutet (hihihiii)... dazu komme ich gleich noch.
Unser Pilot (Typ: Matt LeBlanc) betritt die Szene. Sein Name ist Maxos und er spricht trotz griechisch klingendem Namen mit starkem französischen Akzent. Zunächst betet er pflichtbewusst die Notfallprozeduren mit Schwimmwesten und dergleichen herunter, und das klingt in Originallänge (mit Originalakzent) so: "Sies ar se döörs. In cäis öf än imörschonßie-wotering yü püll sis lävver tu öpen. Did yü onderstände? Very güüd. Dü yü gais nöu 'au to jüs ä laif-vest? Excellon!"
Ende der Einweisung.
Nun erklärt uns Maxos, wie für gewöhnlich die Sitzverteilung bei einem Flug mit drei Passagieren aussieht - nämlich: einer vorn, einer in der Mitte und einer hinten, sodass alle jederzeit an beiden Seiten des Flugzeugs hinausschauen können, aber er fügt noch hinzu "önless tü öf yü priföre tü sit tügäser" (übers. "es sai denn, ßwei vön Eusche möschtön libör ßusammon sitzön")
Ha! Doppelha! (und nochmals hihihiii)
Natürlich wollen die beiden schwiezerr Schockchiehasen (das Pärchen) beieinander sitzen und also fragt Maxos mich, ob ich vielleicht den Sitz neben dem Piloten einnehmen möchte. Genaugenommen kommt er gar nicht dazu, die Frage vollständig auszuformulieren, weil ich schon längst da sitze.
Maxos besteigt den Pilotensitz, wirft die Türen des fliegenden VW-Bullis scheppernd ins Schloss und ich warte darauf, dass mich das eingesperrte Unwohlsein überkommt, das von kalten Schweißausbrüchen und Übelkeit begleitet wird.
Schon die australische Höhenangsttherapie im letzten Jahr hat gezeigt, dass wenn ich mich halbwegs motiviert und entspannt mit solcherlei Dingen beschäftige, nichts anderes als innere Ruhe dabei herauskommt - und so ist es auch jetzt, in diesem barbarisch lauten, vibrierenden und klappernden Ersatzteillager. Eigentlich ist es sogar noch besser. In der Sekunde, in der ich mich auf den gepolsterten Klappstuhl (für Zwerge) fallen lasse, fühle ich mich wie zu Hause. Ich könnte mich eigentlich nur noch mehr wie zu Hause fühlen, wenn ich auf dem Pilotensitz säße.
Der olle Pratt&Whitney Motor ist spotzblubberig angesprungen, ich zucke drei bis viermal mit der Augenbraue, wir rumpeln über die Wellen des Inlets, heben langsam ab und ich bin derart entspannt, dass ich glatt wegdösen könnte. Wenn das ginge, würde ich in der mir noch verbleibenden Zeit in Vancouver das Hotelzimmer gegen diesen gepolsterten Klappstuhl (für Zwerge) eintauschen.
Für fünf Minuten nehme ich Euch mit. Haltet Euch bloß die Ohren gut zu! (oder aber stellt die Lautsprecher auf leise)
!!!ERNST GEMEINTE WARNUNG!!!
EXTREM LAUTE TONSPUR
EXTREM LAUTE TONSPUR
In RL bestimmt etwas beeindruckender als im Film, trotzdem herzlichsten Dank fürs Mitnehmen!
AntwortenLöschen@zbrwld: Yü ar väry wellkömm, ma petit 'önnybönny!
AntwortenLöschenLieber Eicke,
AntwortenLöschenauch hier - und auf kommentierendem Wege - alles erdenklich Gute und Liebe zum 31. Geburtstag von schomb@ und mir!
Wir hoffen, Du hast/hattest einen schönen Tag in diesem Kanada... und hast Dich selbst ordentlich gefeiert.
zbrwld
Liebe @zbrwld, bei solch einer hochoffiziellen Durchsage nehme ich doch gleich Haltung ein und verneige mich nach Musketierart mit wedelndem Ärmchen in tief empfundener Dankbarkeit und Zuneigung in Deiner und in schomb@'s Richtung. Merkwürdigerweise scheint Ihr die einzigen zu sein, die mein Geburtsjahr RICHTIG in Erinnerung haben. Auch dafür sei Euch Lob, Preis und Ehr'. Merci, merci und nochmals merci.
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