Montag, 30. August 2010

PRE-OUTBACK


Morgen treten wir unseren Camping Trip ins Outback an und zugleich begebe ich mich auf ein weiteres Level meiner Reise. Begonnen hatte ich im Zentrum einer Millionen-Metropole, wo man so gut wie alle Besorgungen zu Fuß erledigen kann und landete anschließend in einer Stadt der nächstkleineren Kategorie (es gibt tatsächlich nicht viel dazwischen), in der der Besitz eines Automobils für einen Stadtmenschen wie mich schon beinahe zum bloßen Überleben notwendig ist.
Der nächste Stopp wird ein See bei Richmond (QLD) im Nirgendwo sein – Einwohnerzahl: 554. Diese Angabe ist noch einmal wesentlich älter als die Zahlen aus dem vorangegangenen Beitrag (WIC II) und nachdem ich gesehen habe, was Bianca und Jack alles in Vorbereitung auf diesen Trip einpacken, oder andersherum, wie wenig sie nur von ihrem Hausrat zurücklassen, beginne ich kleiner dummer Stadtmensch mir ein paar Gedanken zu machen...
Nach einigen wenigen Minuten virtueller Recherche erkenne ich, dass es in Richmond außer besagtem See überhaupt GAR NICHTS gibt – und ich meine damit GAR NICHTS. Kein Fastfood, kein Shopping-Center, keine Bank, kein Internet. Zero, Null, Nada, Niente, Rien und der Letzte macht das Licht nicht aus, weil da keiner mehr ist, der den Schalter betätigen könnte.

Sollte ich mich nach Ablauf der nächsten acht Tage also nicht wieder melden, könnten Sorgen durchaus begründet sein, aber vermutlich auch völlig nutzlos.
Wieder einmal schnüre ich meinen Seesack und dieses Mal gibt es kein 'Mir sinn uns op dr anner Sick'... 

Sodenn, mir sinn uns op dr anner Sick hinger dr anner Sick.

WALKING IN CAIRNS (II)

Die Drogerie – das mag denjenigen, die noch vorhaben diesen Kontinent zu besuchen vielleicht ein hilfreicher Hinweis sein – nennt man hier 'Chemist' und nicht etwa 'Drugstore'. Der Begriff 'Drugstore' ist ein amerikanischer und führt in Australien mitunter zu Missverständnissen, wie ich am eigenen Leib erfahren musste, als ich in Sydney die Rezeptionistin meines Hotels nach dem Weg zu einem solchen befragt hatte. Trotz Bemühens gelang es ihr nicht, ihr Entsetzen vor mir zu verbergen:"Did you actually say 'DRUGstore'?!"
Man lernt eben nie aus und wird während dieses Lernprozesses auch schon mal für einen Drogenabhängigen bw. -dealer gehalten. Na und?

***
Mit rund 150000 Einwohnern ist Cairns eine der größeren Städte Australiens, wobei man nie vergessen darf, dass die Gesamtbevölkerung Australiens gerade einmal 22 Millionen Menschen umfasst. Diese Zahlen sind nicht mehr ganz aktuell, jedoch werden die Ergebnisse der Zählungen für das Jahr 2010 vom Australian Bureau of Statistics erst kurz nach meiner Abreise bekannt gegeben.
Angesichts der Einwohnerzahlen und der schieren Größe des Landes driften sämtliche Vergleiche mit Deutschland ins nachgerade Groteske.

Zählt man z.B. lediglich die Einwohner von Nordrhein-Westfalen und Hessen zusammen, kommt man bereits auf ca. 24 Millionen Menschen, auf einer ebenfalls addierten Grundfläche von 56000 km². Unsere 22 Millionen australischen Freunde hingegen verteilen sich auf einer Fläche von 7,5 Millionen km²... Viel zu umständlich und wieder einmal nicht sonderlich leicht mit dem Geist zu erfassen, deshalb wischen wir doch einfach kurz die kalten Zahlen von der Tafel und versuchen es ein klein wenig bildhafter: Wäre Australien eine normal proportionierte, menschliche Hand, vom Handgelenk zu den Fingerspitzen, dann wäre ganz Deutschland (also nicht nur NRW+Hessen) nicht viel mehr als ein Daumenglied UND dieses Daumenglied hätte dabei mehr als das dreifache Gewicht der ganzen restlichen Hand.
Bitte verzeiht mir die lausige Rhetorik, aber ist das nicht komplett verrückt?
Nun immerhin gibt dies Bild von Weite und Besiedelungsdichte eine Vorstellung davon, warum ich nicht nur aus reiner Bequemlichleit sehr dankbar dafür bin, dass meine beiden Gastgeber mir anbieten, mich für meine Besorgungen mit dem Auto ins waaheit entfernte Zentrum des Städtchens zu fahren, weil es in ihrem 'Veedel' Yorkeys Knob außer anderen Wohnhäusern, Gaststätten, mir völlig unbekannter Vegetation, riesigen Fledermäusen, wilden Kakadus und anderen Piep- und Krächzmätzen, Schlangen, Geckos, Spinnen, Moskitos, Ameisen, Käfern, Fröschen, Strand, Meer, Delphinen und gefressenen Bertrams nicht allzu viel gibt – und gleich schon zweimal keine Drogerien. Im selben Aufwasch können auch die Wocheneinkäufe erledigt werden, wir verblasen also nicht nur für ein paar Fußpflaster, Seife, Shampoo und Partygetränke das Benzin, sondern verbinden das Nützliche mit noch mehr Nützlichem. 

Dieses Mal habe ich mir Shorts angezogen und auch nicht vergessen mir die Beine mit Sonnenschutz zu balsamieren und wenn es etwas gibt, dass ich noch mehr hasse als mir schmierige Substanzen im Gesicht zu verteilen, dann ist es mir schmierige Substanzen auf den haarigen Beinen zu verteilen. Ja ich weiß, auch diese Sorte Haar kann man abrasieren, ich bin aber einfach nicht diese Sorte Mann – und das ist keinesfalls abfällig gegenüber den männlichen Beinrasierern da draußen gemeint. Das ist so eine Modeerscheinung bei den etwas jüngeren Männern, gegen die es nicht das Geringste einzuwenden gibt, ich weiß aber einfach bessere Dinge mit meiner Zeit anzufangen – z.B. in der Nase bohren oder mit Telekinese experimentieren, wobei ersteres eigentümlicherweise viel häufiger Ergebnisse zeitigt, als letzteres. Sollte mir also meine Beinbehaarung nicht zufällig bei einem meiner Telekineseversuche oder aus sonstigen Gründen plötzlich ausfallen, werde ich auch in Zukunft mit verschmierten Follikelfortsätzen leben müssen und meine Umwelt mit dem Anblick derselben.
Wir fahren mit dem Auto, dass mehr einem kleinen LKW gleicht (im der Fachjargon SUV oder Umweltverpester genannt), in die Innenstadt. Jack sitzt am Steuer, schimpft über seine ebenfalls autofahrenden Mitmenschen wie ein Fishwife und benutzt am liebsten dabei das schlimmste aller englischsprachigen Schimpfworte, das die primären Geschlechtsmerkmale der Frau bezeichnen soll und das ich selbst niemals verbal verwenden oder gar niederschreiben würde (also viel Spaß beim Herausfinden) – schon aus Ehrfurcht vor dem eigentlichen Körperteil. Ihm ist dabei übrigens völlig einerlei, ob es sich bei der beschimpften Person um eine Frau oder einen Mann handelt. Die Vokabel für das männliche Pendant kommt in Varianten auch aus seinem Mund aber ich glaube das andere Wort ist sein Favorit. Beim Autofahren unflätig herumkrakeelen ist nicht Jack's noch eine australische Erfindung, sondern erfreut sich wahrscheinlich überall auf der Welt, wo ein bisschen mehr Individualverkehr auf den Straßen unterwegs ist, größter Beliebtheit. Bestimmt gibt es für das Phänomen eine einfache psychologische Erklärung, die mir Jack sicherlich wird liefern können, sobald er sein Studium abgeschlossen hat. 
Einmal in der Mall angekommen, habe ich recht schnell meine Siebensachen eingekauft und auch Lebensmittel für die nächsten Tage sind alsbald besorgt und im Kofferraum des kleinen Schlachtenkreuzers verstaut. Soweit es mich betrifft, könnten wir uns gleich wieder auf den Rückweg machen, jedoch möchte mir Bianca selbstredend ein bisschen mehr von ihrer neuen Heimatstadt zeigen, als nur das Einkaufszentrum. Löblich. Der nächste Fehler den ich machen konnte, nachdem ich das Sonnenschutzversäumnis nachgeholt habe war, keine Socken in den vermaledeiten neuen Schuhen anzuziehen und genau den habe ich auch gemacht. Wir wandern durch die Stadt, Bianca zeigt mir, wo sie schon überall gearbeitet hat und bei früheren Aufenthalten in Cairns (bevor sie in Australien geheiratet hatte) überall war, es knastert die Nachmittagssonne vom Himmel und nach und nach sammelt sich zunächst Schweiß in meinen Schuhen, der dann beginnt in das Leder einzuziehen, sodass sich von nun an bei jedem Schritt schweißfeuchte Füße auf schweißfeuchtem Leder reiben. Darüber freuen sich meine Füße ungemein und bedanken sich auf ihre Weise, indem sie brandneue 100% proudly produced in Australia-Blasen werfen, nunmehr am rechten Fuß – ich bin also wieder bestens ausbalanciert. Meine Schuhe wurden übrigens in England hergestellt und haben somit als Produkt des Commonwealth hier vermutlich mehr zu melden als ich. 
Wir schlendern unter anderem auch über die 'Esplanade', einen Platz in dessen Mitte sich eine Art polygoner Swimmingpool befindet, der für alle zugänglich und kostenfrei zu benutzen ist.
Um den Pool herum tummeln sich auf den Wiesen die braungebrannten, wohlgeformten Surferboys und -Girls, viele Kinder und die Backpacker-Hippies mit ihren Dreadlocks und regenbogenfarben gebatikten T-Shirts, wie man sie so bei uns, in dieser Konzentration und ohne bestimmten Anlass jedenfalls, nicht mehr antrifft. Im Volksmund nennt man diesen Ort die 'Perv Alley' (Allee der Perversen), ich kann allerdings keine Anzeichen von außerordentlicher Andersartigkeit feststellen. Vielleicht ist es ja noch zu früh für perverse Aktivitäten... andererseits, was für eine lächerliche Perversion wäre das, die sich Gedanken über die Tageszeit machte? Definitiv keine ernstzunehmende. Außerdem gibt es eine kleine Bühne, auf der gerade eine Drei-Mann-Band die Zuhörwilligen unterhält. Sie spielen just in diesem Augenblick "Walking in Memphis" von Marc Cohn und bitte verdreht jetzt nicht die Augen – irgendwoher muss ich ja schließlich die beknackten Überschriften für mein Geschreibsel nehmen.
Als vorerst letztes in downtown Cairns besuchen wir Rusty's Market. Ein Marktplatz der haargenau so aussieht, wie man sich das in tropischen Gefilden immer vorstellt: Exotische Menschen (streng genommen bin ich ja hier der Exot) ganz ohne Marktfrauenkittel, Plastik-Handschuhe oder Haarnetze, mit vielen exotischen Produkten pflanzlicher oder tierischer Natur auf klapprigen Holztischen, verteilt auf der Fläche eines halben Fussbalfeldes. Ich hatte erwogen hier die Zutaten für eine Frankfurter Grüne Soße zu erwerben, um ein bisschen alte Heimat auftischen zu können. Das stellt sich jedoch als nicht realisierbar heraus, weil Borretsch, Pimpinell und Sauerampfer sich nicht auftreiben lassen wollen und eine Grüne Soße mit nur vier von sieben Kräutern halte ich persönlich für schlicht intolerabel, oder wie der Frankfurter sagen würde: "Brauche mer gar net drübber rädde!" 
Dafür erstehen wir die leckersten, süßesten und saftigsten Mangos, die ich je gegessen habe. Allmählich beginnt die Sonne ein bisschen unruhig zu wackeln, weil sie in nicht allzu langer Zeit wieder ihren Kopfsprung ins kühle Nass machen möchte und zwei der drei Shoppenden beginnen ein bisschen unruhig zu wackeln, weil sie beide ein Y an Position 23 ihres jeweiligen Chromosomensatzes und eine leichte Shopping-Überdosis haben. Nicht eben subtil erhöhen Jack und ich das Shopping-Tempo und Bianca ist so freundlich darauf einzugehen.
Mit dem Wagen voller guter Sachen und den Schuhen voller guter Blasen, kehre ich mit den zwei Freunden zurück in die Ray Street, wo wir in meinen Geburtstag hineinfeiern werden. Partybeschreibungen halte ich für überflüssig, weil sie nie so lustig sind, wie die Party selbst also verzichten wir darauf und ich verrate nur soviel darüber: Genau wie in Deutschland feiere ich nicht nur am Abend vorher hinein, sondern am folgenden Abend wieder hinaus – natürlich mit einer gehörigen Pause zur Regenaration dazwischen. Schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste.
Vielen Dank ihr lieben Menschen für Eure zahlreichen E-Mails, Comment-Postings, Blips und natürlich den Videocall aus Kalk vom Großteil der alten Gang und dem Kalker Kaffee. Ich habe mich tiiiierisch gefreut! Ein ganz besonderer Dank gilt natürlich meinen australischen Freunden, die mir nicht nur einen Platz zum Übernachten geben, sondern mir ihre Heimat aus Insider-Sicht zeigen. Und damit haben die beiden gerade erst begonnen. So planen sie z.B. einen Camping Trip ins Outback mit mir... Ich hoffe, ich kann mich in gebührender Weise erkenntlich zeigen... es wird mir aber bestimmt etwas einfallen.

Sonntag, 29. August 2010

WALKING IN CAIRNS (I)


Der Flug nach Cairns war mit seinen lächerlichen drei Stunden Dauer erfrischend kurz und dank einer durch und durch reizenden älteren Dame auf dem Nachbarsitz zu meiner Rechten sogar erstaunlich kurzweilig. Ihr Name ist Rosalind und neben Gott, der Welt, Chinarestaurants in Sydney und der leckersten Pekingente aller Zeiten, kommen wir auch auf meinen Blog zu sprechen, der sie wirklich zu interessieren scheint, obwohl ich ihr natürlich natürlich nicht verheimliche, dass er, abgesehen von den Überschriften, komplett in deutscher Sprache verfasst ist. Sie möchte ihn aber trotzdem unbedingt anschauen, allein schon wegen der Fotos und jetzt wünschte ich, ich hätte um ihretwillen ein paar mehr davon gepostet. So if you see this Rosalind: Thank you again for the nice little chat, that really broke the flight's monotony. I hope your workshop was a success and maybe one day we will be completing crossword puzzles together again.
Am Flughafen in Cairns werde ich von Bianca und Jack herzlich in Empfang genommen und willkommen geheißen. Auf dem Flug hatte ich zwischendurch einen dieser "Du-hast-vergessen-den-Herd-auszuschalten"-Momente beim Gedanken an meinen Seesack im Bauch der Boeing, den ich dieses Mal nicht ganz so seemännisch verknotet hatte wie bei dem Flug davor. Doch (den Göttern der Dispatcher sei Dank) kommen meine Habseligkeiten nicht in Einzelteilen über das Gepäckband gepurzelt, sondern wohlbehalten und in trauter Seesackigkeit.
Bei meinen Gastgebern in der Ray Street angekommen, gibt es erst einmal die versprochenen Mitbringsel für Bianca, die ja erst vor knapp drei Wochen ihren Geburtstag hatte: ein Fußballtrikot der deutschen Nationalmannschaft, eine schwarz-rot-goldene Blumengirlande und die Flagge ihrer früheren Heimat – alle drei aus Polyester und also leicht abwaschbar...
Vor einiger Zeit habe ich erfahren, dass die Farben schwarz, rot und gelb auch die Farben der australischen Ureinwohner sind und hol's der Kookaburra! Das muss doch wohl irgendetwas zu bedeuten haben und sei es nur, dass es eben doch Zufälle gibt.

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Wie schon einige andere Australien-Reisende berichtet haben, versinkt die Sonne hier nicht wie bei uns an Frühjahrsabenden gemächlich, beschauhlich und majestätisch unter dem Horizont, sondern sie plumpst viel mehr völlig unprätentiös irgendwann um sechs Uhr abends ins Meer blupp, pschhhhh, dunkel. Und in gewisser Weise scheint dies Unprätentiöse auf die australischen Menschen abgefärbt zu haben. Das ist eine von diesen Aussagen, die sich auf nichts wirklich Greifbares oder Nachweisbares stützt, sondern von irgenwo aus meiner ganz perönlichen Gefühlsosmose kommt, über deren Anspruch sich sicherlich streiten ließe.
Nun ist mein Körper jedoch durchaus daran gewöhnt, sich nicht allzu viel um Tageszeiten, Tageslicht oder Dunkelheit zu scheren. Lediglich mit den frühen Morgenstunden konnte er sich nie so recht anfreunden. Sonnenuntergang Verzeihung, Sonnenunterplumps hin, Sonnenunterplumps her, schon auf der Heimfahrt vom Flughafen hatte ich bei einem kurzen Gespräch zum Thema tropische Früchte konstatiert: "It's beer o' clock I guess". Ich weiß nicht woran das liegt, ich empfinde die Fliegerei als unheimlich anstrengend und das obwohl man doch eigentlich nichts weiter zu tun hat, als dazusitzen. Man muss sich dabei noch nicht einmal anstrengen sonderlich intelligent oder attraktiv auszusehen, sondern man sitzt bloß und wartet und wartet und sitzt. Warum zum Wombat fühle ich mich hinterher also so, als hätte ich gerade den Rasen im Garten meines früheren Elternhauses gemäht? Und warum bekommt man davon so unglaublich trockene Haut (vom Fliegen, nicht vom Mähen)? Nach dem 24Std.-Flug von Frankfurt nach Sydney war ich von Kopf bis Fuß mit meinen eigenen Schuppen bedeckt und habe, wie Pigpen von den Peanuts, bei jedem Schritt eine kleine Staubwolke hinter mir hergezogen. 
Nach getaner Nicht-Arbeit ist es also Bier Uhr. Meine Freunde haben dankenswerterweise vorgesorgt und mir zu Ehren ein Slab aus Holland importierten Biers auf Eis gelegt. Als Slab bezeichnet man hierzulande eine Kartonage mit 24 Flaschen also kein Sixpack, sondern ein Twentyfourpack. Ich finde das absolut angemessen, denn meine Bauchdecke hat irgendwie nicht so richtig viel Ähnlichkeit mit einem Sixpack.
Wir setzen uns auf den Balkon, kippen uns ein paar Biere hinter den Binder, plaudern ein Weilchen und lassen den Tag mit viel German Gemutligkait ausklingen. Die beiden sind nicht nur Frühaufsteher, sondern infolgedessen auch Frühinsbettgeher. Ich sitze noch bis spät in die Nacht auf dem Balkon, höre den Grillen beim Zirpen zu und schaue ein bisschen meinen virtuellen Freunden in Übersee beim DJ-ing im Internet zu.

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Am nächsten Morgen stehe ich entgegen aller Gewohnheiten schon um zehn Uhr auf. Der Himmel ist ein bisschen verhangen und das Thermometer zeigt nur 23°C an. Es ist nach dem Geschmack der Cairnser viel zu kalt für diese Jahreszeit und auch viel zu bewölkt. Eigentlich hat es hier im Winter immer klare Sicht und Temparaturen um 27°C. Die Beschwerden meiner Gastgeber über das ungewöhnliche und immer niederschlagsreichere Wetter werden auch in den folgenden Tagen nicht abreißen und ich bin immer wieder bemüht den beiden zu erklären, dass ich das erstens (völlig ungeachtet der Tatsache das jetzt Dry Season ist) für einen Regenwald als absolut angemessen erachte und dass es sich schließlich zweitens um 100% proudly produced in Australia-Regen handelt mit anderen Worten, dass es nicht den geringsten Grund zur Beschwerde gibt!
Im Augenblick ist es jedoch trocken. Jack ist schon seit einiger Zeit aus dem Haus, weil er heute eine Psychologie-Klausur an der Uni zu absolvieren hat. Bianca hat seit gestern Urlaub (den sie extra meinetwegen genommen hat!) und so hat sie die Zeit, einen Strandspaziergang mit mir zu machen. Für Bummeleien solange sich nicht durch eine Shoppingmeile führen bin ich eigentlich immer zu haben. Weil der Himmel immer noch bedeckt ist, verzichte ich auf Sonnencreme und weil es nicht so heiß ist, ziehe ich mir meine langen Hosen an und wir bummeln los. Nach fünf Minuten Fußweg erreichen wir den kilometerlangen und beinahe menschenleeren Strand und entdecken als Erstes etwa 150 Meter von der Küste entfernt, zwei Delphine, die gerade Jagd machen. Der arme Tropf dem sie in diesem Moment den Gar ausmachen wollen, versucht allem Anschein über dem Wasser zu entkommen, denn er springt während er um sein Leben schwimmt immer wieder aus dem Wasser und zappelt dabei weiterhin, als könnte er dadurch an Höhe gewinnen und seinem Fressfeind davonfliegen. Kann ein Fisch wirklich so blöd sein? Nunja, er wird schon wissen was er da tut... Upps offenbar doch nicht. Ich lege eine Gedenksekunde für Bertram den Fisch ein, den ich so nenne damit er sein Leben nicht als namenloser Dummkopf beschließen muss:  Hier ließ Bertram am 27sten August 2010 sein Leben. Er starb hauptsächlich an ungerechtfertigtem Optimismus, der ihn glauben ließ, er könne sich in allerletzter Sekunde Flügel wachsen lassen. Curiosity killed the cat, optimism killed the fish. Möge er im flüssigen Fischhimmel auf ewig weiter schwimmen und ein paar verstorbenen Delphinseelen in den Hintern treten Amen.
Wir verlassen den Ort des Verbrechens und wandern den Yorkeys Knob Beach hinauf, der Himmel klart auf und die kletternden Temparaturen sind kaum zu spüren, weil der frische Wind von der See angenehm kühl ist. In meinen langen schwarzen Jeans kommt der Wind jedoch nicht wirklich an, sodass mir bald der Schweiß in einem konstanten Rinnsal die Poporitze befeuchtet und die Hosenbeine an den Oberschenkeln kleben. Es gibt weit Schlimmeres. Ich bewundere die Mangrovenhaine an der Mündung eines kleinen Flusses, in denen sich so erklärt mir Bianca wohl auch Krokodile herumtreiben, die sich aber nicht für uns zu interessieren scheinen. Jedenfalls halten sie mir zuliebe keine Willkommensparade mit lustigen Hütchen und einem Tambourmajor ab, oder lassen auch nur erkennen, dass sie tatsächlich existent sind und ich bin ihnen deshalb nicht weiter böse. Mittlerweile ist es zwölf Uhr mittags und die Sonne knastert vom Himmel herab, als Bianca plötzlich einfällt, dass es vielleicht gar keine so rasend brillante Idee war, ausgerechnet zur Mittagszeit einen Spaziergang im Freien zu unternehmen. So angenehm der kühle Wind sein mag, so tückisch ist er auch. Bis vor Kurzem noch hatten meine Arme diese vornehme Blässe und haben jetzt von den Ellbogen bis hinab zu den Fingerspitzen ein sattes Apfelbackenrot angenommen. Jack lässt mich später wissen, dass empfohlen wird sich nicht länger als 20 Minuten in der Mittagssonne aufzuhalten mit Sonnencreme! Bianca und ich sind insgesamt eine Stunde unterwegs. Soviel zum Thema ungerechtfertigter Optimismus... Gut nur, dass ich meinen albernen Touristen-Schlabberhut in der Tasche habe, den ich jetzt schleunigst aufsetze um das Bild des vollbemackten Trollos von Übersee zu komplettieren: geschlossene schwarze Lederschuhe, lange schwarze Hosen, knatschrote Ärmchen und einen schwarzen Trottelhut. Ich brauche verdammtnocheins überhaupt keinen sprachlichen Akzent, um jedermann sofort wissen zu lassen, dass ich nicht von hier bin! Aber für ein unangepasstes Outfit habe ich mich noch nie geschämt. Seht mich an, ich bin ein Blödmann und das ist auch gut so PUNKT

Wieder zurück in der Ray Street lege ich dann doch einen Hauch Sonnenschutz auf, denn ich muss gleich noch einmal raus. Jack ist von der Uni zurück und die Zufriedenheit über seine Klausur bewegt sich leicht unterhalb von mittelprächtigbeschissen. Ich brauche noch ein paar Kleinigkeiten aus der Drogerie (u.a. neue Pflaster für die Füß') und natürlich aus dem Bottleshop, denn die Drinks heute abend sollen auf meine Kappe gehen. Himmel auch! 40! Also wieder raus in das ultraviolette Hautkrebsparadies, denn das eigentliche Walking in Cairns hat gerade erst begonnen...
(to be continued)

Mittwoch, 25. August 2010

BYE SYDNEY


Natürlich gäbe es noch unendlich viel mehr von den neun Tagen in Sydney zu berichten. Gerne hätte ich noch mehr von Dave dem Spengler oder seinem Kumpel, dem Lackierer erzählt; Im Aquarium von Sydney habe ich den wahrscheinlich traurigst aussehenden Fisch der Welt gesehen und gemeinsam mit einer alten Lady bedauert; In Chinatown war ich in einem Restaurant mit 400 Sitzplätzen und hatte die leckerste Pekingente aller Zeiten; Das ein oder andere Missverständnis wegen meines Vornamens wäre vielleicht erzählenswert gewesen, weil ich mich doch so ganz und gar nicht wie ein Icon fühle; Und eventuell wäre für die Rastlosen unter euch gut zu wissen gewesen, wie ich in schändlicher Weise einen kompletten Tag verbummelt habe, ganz ohne etwas bestimmtes zu unternehmen und mich dabei einfach nur gut gefühlt habe, weil ich ohne zu überteiben von mir selbst behaupten kann, der beste Tagverbummler der Welt zu sein; Und natürlich die vielen vielen Kleinigkeiten, die ich in den bestehenden Erzählungen ausgelassen habe, weil sie sonst einfach zu lang geworden wären. 
Das Problemchen an der Schreiberei ist, dass ich nicht eben der schnellste Schreiber unter der Sonne bin und je mehr Zeit ich mir zum Schreiben nehme, desto weniger Zeit bleibt mir zum Erleben. Nun ist das nicht das Ende der Welt, ja noch nicht einmal das Ende meines Australien Blogs, sondern ledigich der Abschied von Sydney. Ich werde bestimmt noch lange an diese Stadt und ihre Menschen denken. Es bleibt für mich dabei: Sydney ist unbedingt eine Reise wert.
 

Jetzt schnüre ich wieder meinen Seesack, lade sämtliche Akkus für meinen gesammelten Elektronikfirlefanz noch einmal auf, dusche und rasiere mich und gehe zeitig zu Bett, denn ich muss morgen für meine Verhältnisse früh raus, um im Hotel aus- und am Flughafen einzuchecken. Der nächste Beitrag wird schon bald folgen – dann aus Cairns im Bundesstaat Queensland. Cairns ist übrigens auch die Stelle, auf die der Pfeil in der Grafik oben im Titel des Blogs zeigt.

Wie gehabt: Mir sinn uns op dr anner Sick...

Montag, 23. August 2010

PUBLIC LOCAL TRANSPORT (ÖPNV)


Heute ist also der Tag, an dem ich mir endlich die Oper vorknöpfen werde. Dummerweise streikt die Internetseite http://www.sydneyoperahouse.com ausgerechnet heute bei der Anfrage nach klassischer Musik. Es gibt in und rund um die Oper massenhaft andere Veranstaltungen, aber in diesem Punkt bin ich nun einmal etwas verbissen – ich will in die verdammte Oper und nicht zu einer von experimentellem Jazz begleitete Stummfilmvorführung mit Filmen aus Lumiere-Zeiten, obwohl man die tatsächlich derzeit gibt und obwohl ich ein bekennender Filmfreak bin. Nee, ich will in die Oper von Sydney, mit nur klassischer Musik biddeschön, in einem Opernsaal – am liebsten Beethovens Pastorale (ich weiß, dass Beethovens sechste Synphonie keine Oper ist), aber Läbbe is ja auch kain Wunschkonzädd ('hust' 60000 Euro in die Wortspielkasse). 
Internetseite hin, Internetseite her – wozu braucht man schon diesen ganzen neumodischen Schnickschnack, wenn man doch einfach zur Oper hinspazieren kann, um sich persönlich über das Programm zu informieren?
Ich spaziere also schon wieder einmal über die George Street in Richtung Norden, als mir gegenüber der Townhall eine Treppe auffällt, die in den Untergrund führt. Moooment! Hatte nicht vor Kurzem erst ein völlig ahnungsloser Blogger geschrieben, es gäbe weder U- noch Straßenbahnen in Sydney? Was für ein Penner.
Aber hallo gibts hier U-Bahnen! Und davon nicht zu wenige. Da hat wohl einer braune Stinkeschokolade erzählt... Ich mache das Bild vom Netzplan mal ordentlich groß und ixe die Haltestelle 'Townhall', damit wir alle an der selben Haltestelle einsteigen können.

Wie zum Kuckuck konnte mir ein ganzes U-Bahnnetz in den Tagen zuvor nur entgehen? 
Es gibt zu dieser Frage zwar keine 1+1=2 Antwort, aber zumindest eine Theorie – terribly flimsy of course: Der Linksverkehr hat an allem Schuld! Andererseits ist diese Theorie gar nicht allzu fadenscheinig, denn es ist, auch wenn man das annehmen möchte, nicht damit getan, dass man zuerst nach rechts schaut, bevor man die Straße überquert, obwohl sich daran zu gewöhnen für mich schon schwierig genug war. Vielleicht kann man es mit der Schwierigkeit vergleichen, die man bei dem Versuch hat, bejahend mit dem Kopf zu nicken und gleichzeitig "Nein" zu sagen. Wer das ausprobiert mag sich denken, dass das ja nun wirklich nicht so schwer ist. Das stimmt natürlich auch für den Einzelversuch, jedoch muss man sich dabei vorstellen, das von nun an immer so zu handhaben – ohne darüber nachdenken zu müssen. Ich habe irgendwann aufgegeben gegen meine Links-Blick-Konditionierung anzukämpfen und schaue einfach nach links und rechts, bevor ich über die Straße gehe. An vielen Kreuzungen hat man sogar für die andersherum denkenden Menschen den Schriftzug "LOOK RIGHT" auf die Straße gepinselt und für diejenigen, die noch grundsätzlichere Probleme mit derlei Richtungsangaben haben, einen rechtsweisenden Pfeil dazu gemalt. Wie schon gesagt, das ist noch nicht alles. Es empfiehlt sich zudem auch auf der linken Straßenseite zu gehen, in Einkaufszentren wendet man sich als erstes nach links, Rolltreppen, die zum nächsten Stockwerk führen sind linksseitig angeordnet u.s.w. Nun wäre es allerdings blauäugig anzunehmen, dass in einer Fünf-Millionen-Stadt alle immerzu auf der linken Straßenseite spazieren und hier kommt das nächste wichtige Detail für den Fußgängerverkehr: Wenn man in gerader Linie auf einen entgegen kommenden Fußgänger trifft, weicht man einander ebenfalls nach links aus. Besonders diesen Verhaltenskodex zu verinnerlichen ist mir anfangs derart schwer gefallen, dass ich wirklich häufiger mit anderen Menschen zusammengerauscht bin. Dazu kommt, dass man natürlich auch vielen Touristen begegnet, die diese Regeln ebenfalls noch nicht aufgesogen haben und ihrerseits nach rechts ausweichen. Es gibt also viele Kleinigkeiten zu beachten, die Dich, bis sie einmal in Fleisch und Blut übergegangen sind, von der Umgebung ablenken und so kommt es dann, dass man z.B. den Eingang zu einer riesigen U-Bahnstation übersieht. Mittlerweile habe ich diese Sache so verdammt gut im Griff, dass ich zur lunchbreak time völlig zusammenstoßfrei im Zickzack über den Bürgersteig vom Haymarket quer durch das Business Viertel downtown nach Millers Point joggen könnte – was selbstredend niemals passieren wird, weil ich dummerweise meine Joggingschuhe gar nicht dabei habe. Außerdem sind das drei Kilometer! Wer bin ich denn? Haile Gebrselassi?
Eigentlich hatte ich ja vor, zur Oper zur gehen, aber die U-Bahn ist im Augenblick interessanter. Wollen doch mal sehen, ob meine urbanen skills ausreichend sind, um in einer völlig fremden Großstadt mit dem ÖPNV klarzukommen.
Wie man auf dem Netzplan oben sehen kann, haben die Bahnen hier keine Nummern, sondern die Platforms, also die Haltestellen. Für den Kölner ungewöhnlich, das Sydneyer Bahn-Modell lässt sich wohl eher mit dem berlinerischen System vergleichen. Da jede Bahnlinie ihren eigenen Gleiskörper hat, also niemals Bahnen mit unterschiedlichen Zielen auf dem selben Gleis abfahren, erübrigt sich die Nummerierung. Die Ticketautomaten sind vorbildlich einfach zu bedienen, jetzt muss ich nur noch wissen, wo ich überhaupt hin möchte. Bondi Junction (spr. "Bondei") soll es sein, dann kann ich mir auch gleich den weltberühmten Bondi Beach mal anschauen. Warum ist der eigentlich noch mal so berühmt? Gabs da nicht diesen Baywatch-Spinoff? Irgend sowas muss es gewesen sein. Das Einzelticket kostet 3$20, also vergleichbar mit einem Cityticket für Köln. So übersichtlich die Automaten und die Stationen selbst sind, so verwirrend ist teilweise die Beschilderung.
Hier ein kleines Beispiel für diese Behauptung, das mir einerseits einen Ausgang anzeigen soll, zugleich aber nahelegt, dass dieser Weg eben nicht nach draußen führt. Ich würde deshalb allerdings keine Beschwerdebriefe schreiben, sondern bin der Meinung, dass kleine Ungereimtheiten einfach zum Mikrokosmos ÖPNV dazugehören, wie das Salz in die Suppe. Wo bliebe denn sonst der Spaß? Auf der Strecke. (Nochmals 45000 Euro in die Wortwitzkasse) 

Während wir also an der Station Townhall, Platform 5, Sublevel 2 auf die Bahn nach Bondi Junction warten, unterhalten wir uns doch ein wenig über das Leben in Sydney (und mithin noch einmal über die Little Differences & Similarities), das ich in der bisherigen Erzählung ein wenig vernachlässigt habe. Könnte ich mir z.B. vorstellen in Sydney zu leben? Antwort: Ja, unter Vorbehalt. Neun Tage Aufenthalt in einer Fünf-Millionen-Metropole zur off-season sind natürlich ein bisschen zu wenig, um sich ein umfassendes Bild machen zu können. Sydney ist (nach meinem Dafürhalten) zumindest im Zentrum eine sehr junge Stadt, sowohl was die recht moderne Infrastruktur als auch die Bewohner betrifft. Alte Menschen sieht man hier eher selten. Ich denke jedoch, das ist in allen größeren Städten so – ältere Herrschaften leben lieber in den etwas weniger hektischen Vororten. Die ethnische Vielfalt ist sehr groß und, auch das ist eher keine Überraschung, die ethnischen Gruppen bleiben, so sie denn die Möglichkeit dazu haben, lieber unter sich. Wo man in Köln einen türkisch-stämmigen Menschen antrifft, trifft man hier auf einen Menschen asiatischer Herkunft – vornehmlich in Imbissbuden oder Fastfoodrestaurants, aber auch in den klischeeträchtigen Jobs, wie der Wäscherei oder dem Massageparlor. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele Massageläden auf einem Haufen gesehen. Man kann sich z.B. im offenen Atrium der Mall unter den Augen der einkaufenden Passanten die Füße, Beine oder das Gesicht massieren lassen. Mein Ding wäre das nicht. In einem Job jedoch trifft man sie nur selten an und das ist interessant, weil es schon wieder ein Klischee stüzt – es gibt nur wenige asiatische Taxifahrer. Das sind eher orientalische Typen – noch ein Klischee.
Die Mode ist wie in allen großen Städten sehr facettenreich, es gibt für die Saison 2010 jedoch einen recht auffälligen Trend: Die Sydneyerin zeigt sehr gerne Bein. Ich begrüße das. Obwohl die Temperaturen in dieser Jahreszeit von den Einheimischen als bitterkalt empfunden werden, hält das die Sydneyerin nicht davon ab, im kurzen Röckchen zu gehen. Obenherum dick eingepackt, teilweise mit Schal und Handschuhen, aber untenherum eher luftig, mitunter sogar ohne Strümpfe. Erwähnte ich schon, dass ich diesen Trend begrüße?
Und dann hätten wir noch diese Sorte Mensch, von der ich nicht weiß, ob ich sie beim Abschnitt Mode oder doch ethnischer Gruppierung einsortieren sollte: Schlipsträger. Die gibts hier in allen Formen aber nicht Farben. Schlipsträger sind fast immer grau und treten dank der Einbettung des Geschäftsviertels in das 'normale' Stadtleben zuhauf und fast überall in Erscheinung. Die weiblichen Businesspeople tragen zwar eher selten Schlips, sind aber auch überwiegend grau.
Ich weiß nicht, wie viele unsichtbare Grenzen die einelnen Viertel voneinander trennen, eine jedoch ist ziemlich deutlich. Ein paar Straßen von meinem Hotel nach Norden bzw. Westen endet Chinatown. Die Dichte asiatischer Menschen nimmt von dort an spürbar ab, gegenwärtig sind sie jedoch überall.
Wie der ethnische Durchsatz ist auch die Kneipenkultur von Sydney überaus reichhaltig. Von der Arbeiterpinte bis zur Business-Schickimicki-Cocktailbar ist alles auf wenigen hundert Metern vertreten. Wenn man sich eher in ersterer Kategorie wohlfühlt, sollte man sie dennoch meiden, wenn man gerne für sich bleiben möchte, denn das ist so gut wie unmöglich. Bianca, die ich schon in ein paar Tagen in Cairns besuchen werde, hat mir die Bar im Hilton empfohlen. Sorry Bianca, das war eindeutig die andere Kategorie und absolut nicht mein Fall. Selbst wenn es dort keinen Krawattenzwang gibt, so sollte man doch besser eine Krawatte im Kopf tragen, bevor man sich dorthin begibt.
Was die Lebenshaltung betrifft, habe ich überhaupt keine Ahnung davon, wie der Hase läuft. Päckchen Zigaretten: 16AU$, Rumpsteak mit Pommes Frites, Salat + ein Pint Guiness: 16AU$. Mal ganz im Ernst: Da stimmt doch was nicht! Hier sterben die Menschen nicht an Lungenkrebs, sondern an Arterienverfettung. Das muss ich allerdings direkt revidieren: Fette Menschen sucht man hier beinahe vergebens. Ich zähle da mit meiner moderaten Plauze ganz sicher schon zu den Dickmöpsen. Vielleicht ist man hier deshalb eher schlank, weil sehr viel gearbeitet wird. Der Sonnatg z.B. scheint ein ganz normaler Werktag zu sein. Große wie auch kleine Geschäfte haben sieben Tage in der Woche geöffnet.
Um nun auch einmal ein Klischee zu entkräften: Die Sauferei die dem Aussie gerne nachgesagt wird, konnte ich zumindest in Sydney so nicht feststellen. Alkoholismus bringt den Australier nämlich auf dem schnellsten Wege ins Armenhaus – sozusagen Doppelruin. Für eine Flasche Shiraz von der Qualität, für die man bei uns sechs oder sieben Euro bezahlen würde, muss man hier das doppelte ausgeben. Von Bier wollen wir erst gar nicht reden. Entweder es schmeckt... nunja, australisch (Geschmacksache –  ich war nicht entzückt), oder es ist importiert und mithin nahezu unbezahlbar.
Egal ob es Bier oder sonstwas ist, die Australier sind sehr stolz auf ihre Erzeugnisse. Auf den meisten Produkten liest man nicht ein nüchternes "made in Australia", sondern eher so etwas wie "of course 100% Australian", "with pride..." o.ä.
Dieser Stolz macht aber nicht bei den Produkten halt. Man kann zwar nicht behaupten, dass die Beflaggung überall in der Stadt, mit der Beflaggung deutscher Städte zu Zeiten der Fußball-WM 2006 konkurrieren könnte, aber ich habe auch noch nie zuvor gesehen, dass ein Kranfahrer die Hebetrosse seines Arbeitgeräts mit der Nationalflagge schmückt. Bei Fußball WM fällt mir Dave ein, den ich gestern in einer Kneipe kennen gelernt habe. Dave ist Spengler und ein ausgesprochener Sportfan. Nachdem ich ihn nach seinem Interesse für die Fußball-WM 2010 gefragt habe, meinte er selbiges sei nach der Niederlage gegen die deutsche Mannschaft schlagartig erloschen. Er hat das allerdings so formuliert: "That goddam stupid German bastards! They killed us man!" Aber ich drifte schon wieder gedanklich davon und während ich mich verplaudere, ist die Bahn nicht nur bei der Station Townhall eingetroffen, sondern wir sind bereits in Bondi Junction angekommen. 
Um das vorläufige Resümee für den kleinen Teil Sydneys, den ich bisher gesehen habe, noch zum Abschluss zu bringen: Eine schöne und kultivierte Großstadt ist das, die ihre hektischen und rastlosen Seiten und viiiiiele Menschen hat, aber dabei niemals schreiend oder erschlagend wirkt. Die Luft ist dank der Nähe zur See erstaunlich sauber und die Leute sind entspannt, aufgeschlossen, kontaktfreudig und freundlich. Kurz: unbedingt eine Reise wert.


***
Bondi Junction ist viel mehr so, wie ich mir Australien eigentlich vorgestellt hatte. Weniger Hochhäuser und kein einziger Schlipsträger weit und breit. Die Straßen sind etwas staubiger und alles in allem ist es weit weniger hektisch, obwohl Bondi Junction immer noch zum Stadtbereich von Sydney gehört.
Um meine urbanen skills weiterhin auf die Probe zu stellen, beschließe ich den Weg zum Beach zu Fuß zu finden und weil ich den Orientierungssinn eines Piloten habe, dessen Flugzeug auf einem Rummelplatz-Karussel festgeschraubt ist, geht das gründlich in die Hose. Die Buslinien verwirren mich aber auch zu sehr. Erst folge ich einem Bus für ein paar Schritte, der Bondi Beach auf seinem Zielschild stehen hat, um erst einmal die richtige Richtung einzuschlagen, da kommt mir nach fünf Minuten ein weiterer Bus, der das selbe auf seinem Zielschild stehen hat entgegen. Also gebe ich nach einiger Zeit den Spaziergang auf und schaue an der nächsten Bushaltestelle, wann wieder ein Bus zum Beach fährt. Der Fahrplan sagt: Gar nicht. Weil ich gute Laune und nicht die geringste Eile habe, laufe ich zum City Rail Bahnhof zurück, denn ich weiß sicher, dass von dort aus Busse Richtung Strand fahren. Und so ist es auch. Nach noch einer kurzen Fahrt erreiche ich Bondi Beach und frage mich jetzt erst recht, wofür dieser Strand so wahnsinnig berühmt geworden ist. Ja sicher, feiner weißer Sand, alles ganz hübsch hier aber sicher nicht der schönste oder größte Strand oder sonst eines Superlativs wert. Halbmondförmig liegt er da, links und rechts von bebauten Hügeln eingefasst und erinnert mich optisch entfernt an Monaco.
Von einem Horn des Halbmondes zum anderen sind es gerade einmal 850 Meter und somit ist auch die Länge nicht der Rede wert. Ich ziehe mir die Schuhe aus und prüfe mal, wie sich das Meerwasser auf der anderen Seite der Welt so anfühlt... Donnerwetter! Das fühlt sich genau wie Wasser an. Sachen gibts...
Nach einem Weilchen Meeresrauschen, im Sand sitzen und vor mich hinträumen, wird es mir ein bisschen langweilig. Fein. Das war also Bondi Beach – gut, dass ich den jetzt auch kenne. Als nächstes mache ich das, was ich noch besser kann, als Busfahrpläne lesen und U-Bahnen benutzen: Taxis heranwinken und lasse mich zur City Rail zurück chauffieren. Der Fahrer ist sehr am deutschen Autobahnnetz und an deutschen Autos interessiert. Ein bisschen neidisch auf seine deutschen Kollegen ist er, als ich ihm erzähle, dass die meisten Taxis in Deutschland von Mercedes sind.
Während der Fahrt mit der Bahn zurück zur Townhall entdecke ich eine putzige Sache an der Bahn. Man kann die Rückenlehnen der Sitzbänke von einer Seite der Sitzfläche auf die andere kippen, sodass man an jedem Platz frei wählen kann, ob man in Fahrtrichtung oder andersherum sitzen möchte, bzw. ob man in einer Vierergruppe sitzen will oder, wenn einem die Nase des Gegenübers nicht passt, die Lehne umkippt, um in die andere Richtung zu schauen. Die Fahrgäste machen von dieser Wahlfreiheit eifrig Gebrauch, was besonders bei Aufhebung von Vierergruppen interessant ist: Aha! Madam wollen also andersherum sitzen... Kann mich wohl nicht leiden, wie?!
Wieder zurück in der City ist schon wieder fast der ganze Tag vorbei und ich habe keine Lust mehr auf die Oper. Anscheinend habe ich bei meinem orientierungslosen Marsch in Bondi Junction doch mehr Zeit vertrödelt, als ich angenommen hatte. Aber zum Zeit vertrödeln bin ich ja schließlich auch hergekommen. Weil es aber noch zu früh ist, um schon zum Hotel zurückzugehen, gehe ich ins Kino. Das ist mindestens genauso wichtig wie die U-Bahn. "Inception" ist mir empfohlen worden. Na denn, schauen wir doch mal...

BRIDGE CLIMB (II)

Die Tour über das Stahlgerüst der Brücke beginnt im Inneren des Brückenkopfes an der Südseite, in der Cumberland Street 3. Man betritt den Brückenkopf zur ebenen Erde, entrichtet seinen nicht unerheblichen Obulus für dieses Erlebnis, steigt im Brückenkopf ein Stockwerk nach oben, wird in einen albernen Strampelanzug gesteckt, mit Gurtzeug angeschirrt und einem Funkgerät nebst Headset ausgestattet, sodass man seinen Guide jederzeit hören kann und sich ein bisschen wie Captain Kirk fühlen darf. Dann entert man – nachdem das Sicherheitsgurtzeug in einer Art Führungsseil eingeklinkt ist, aus der oberen Stirnseite des Brückenkopfes in die Stahlträgerkonstruktion der Brücke unterhalb der Fahrbahn – einen Holzsteg, der ungefähr die Breite von zwei Bierbänken hat. Höhe über Grund an dieser Stelle: ca. 16 Meter. Sachlich ist das natürlich alles völlig korrekt, aber nicht unbedingt auch einfach nachzuvollziehen. Fotos durfte ich ja leider keine machen, aber zum Glück gibts ja Sketchup und die Firma IleSoft (here's your plug buddies & thx) stellt dankenswerterweise vollkommen kostenfrei ein 3D-Model der Brücke zur Verfügung, in dem ich ein bisschen herummalen kann, um das recht kompliziert Klingende ein wenig zu illustrieren. Die Konstruktion unterhalb der Fahrbahn haben die Buben relativ schluderig und lückenhaft gezeichnet, aber es reicht aus um eine Idee von der Sache zu bekommen. Und überhaupt: Dem geschenkten Barsch...
Wir waren also auf den Bierbänken unter der Fahrbahn. Von hier aus bewegt man sich in einem sanften Aufstieg auf die beiden südlichen Brückenpylonen zu, zwischen denen man hindurch kraxelt und befindet sich ein paar Schritte weiter bereits über dem Wasser. Es pustet ziemlich kräftig und die Mädchen aus der Schweiz haben sich ihre Fleecejacken (die zum Strampler dazugehören) übergestreift. Alex erzählt über Funk immer wieder ein paar Details über die Konstruktion – z.B. dass die Träger von insgesamt sechs Millionen Nieten zusammen gehalten werden, macht Angaben über die Höhe, in der wir uns aktuell befinden und einiges anderes mehr ich höre ihr allerdings nicht sonderlich aufmerksam zu, weil erstens die vielen Sinnesreize, die auf mich einströmen ohnedies schon große Teile meiner Wahrnehmungsfähigkeit in Anspruch nehmen und zweitens, weil Alex einen starken Aussie-Akzent hat und ein wenig zum Nuscheln neigt. Habe ich jetzt endlich ein wenig Bammel? Ich höre tief in mich hinein und höre nichts weiter als vollkommene Ruhe. Über mir rumpelt und poltert der Straßenverkehr, unter mir glitzert die Sonne auf dem Wasser, rechter Hand liegt die Oper, vor der ein paar Yachten kreuzen und der weiter auffrischende Wind streicht mir durch die Flaumhaare an den Ohren (muss ich mal wieder rasieren) und ich fühle mich einfach nur pudelwohl. 
Akrophobie am Popo.
Ungefähr auf einem viertel des Weges zur anderen Seite verlassen wir den östlichen Brückenrand und begeben uns in Richtung Fahrbahnmitte, durch die eine ca. einen Meter

breite Leiter beinahe senkrecht in die Höhe führt. Hier beginnt der Aufstieg auf die Brückenbögen. Da die Leiter aus Gründen der Sicherheit nur einzeln bestiegen werden darf, verabschiedet sich Alex kurzerhand, klettert voran und überlässt uns zwei weiteren 

Guides (Nicole und Stacy), die den lieben langen Tag nichts anderes zu tun haben, als dort unter der Fahrbahn zu stehen und darauf acht zu geben, dass die tumben Touristen auch wirklich einzeln und mit gebührendem Abstand die Leiter nach oben erklimmen.  Da durch dieses Prozedere ein wenig Wartezeit entsteht, machen die zwei Guides das, was man hier überall am liebsten tut: Konversation. Wo kommst Du her und warum bist Du hier, wie gefällt es Dir in Sydney denn so, besuchst Du Freunde und/oder Verwandte? U.s.w. u.s.f. Allmählich habe ich mich an diese Art Klönschnack derart gewöhnt, dass tatsächlich so etwas wie eine Unterhaltung entsteht, anstatt eines einseitigen Frage-Antwort-Frage-Antwort-Gesprächs und weil ich der letzte in der Gruppe bin, habe ich auch am längsten Zeit mit den zwei Mädels unter der Brücke herumzualbern. Wie ist das wohl, ein Brückenmädchen zu sein? Hm. Merkwürdiger Job.
Nicole richtet mir mein Sonnenbrillen-Befestigungs-Bändchen (das ebenfalls zur Standardausrüstung gehört), verabschiedet sich mit der immer wiederkehrenden Formel "have a nice stay" und Stacy gibt mir das Zeichen, dass die Leiter jetzt frei ist. Ich klettere also durch die Öffnung in der Fahrbahn nach oben und jetzt kommt dann doch endlich Fracksausen auf. Angst verleiht vielleicht nicht wirklich Flügel aber mitunter sehr schnelle Beinchen und ohne es zu bemerken, steige ich die Leiter so schnell hinauf, dass ich nach kürzester Zeit die 15-jährige Schweizerin eingeholt habe und das soll ich doch nicht! Also atme ich tiiiiief durch, gebe dem Schweizer Mädel wieder ein wenig Vorsprung und schaue ein bisschen dumm aus dem Strampler und in der Gegend umher. Schon nach Kurzem beruhigt sich der Puls wieder, die Atmung funktioniert auch wieder normal und obwohl ich auf einer blöden Leiter ungefähr 60 Meter über der Erde stehe, Autos unter mir hindurchrauschen und der Wind mir durch das Polyester pfeift, stellt sich plötzlich wieder diese eigenartige innere Ruhe ein. Es ist alles wieder cool und froody.
Oben auf der südöstlichen Ecke des Bogens angkommen gibt es, wie häufiger während der gesamten Führung, einen kleinen Halt. Diese Pausen werden eingelegt, um den kurzatmigeren Besuchern einen Moment zum Durchschnaufen zu verschaffen und zu verhindern, dass zwei oder mehrere Gruppen über einander stolpern. Während dieser Pausen macht Alex Fotos oder – wie sollte es auch anders sein – Smalltalk. Zuerst fotografiert sie die beiden Familien und schickt sie dann ungefähr 30-40 Meter weiter den Bogen hinauf, sodass auf meinem Foto außer mir niemand in die Kamera grinst und bleibt im Anschluss, entfernt vom Rest der Gruppe, noch eine Weile mit mir dort stehen, um ein kleines Schwätzchen zu halten.
Nun bin ich eigentlich der Ansicht, dass es keinen geeigneteren Ort für einen netten Plausch gibt als das gebogene Stahlgerüst einer Brücke über den Dächern der Stadt, mittlerweile jedoch bläst der Wind so heftig, dass mir trotz Sonnenbrille die Tränen über die Wangen kullern und zudem die Verständigung immer schwieriger wird.
Alex (brüllender Weise): „Crying already ay?“
E (zurückbrüll): „No, it's just the Wind.“
Alex (grinst): „Not a problem mate. It's not a shame ((---) wird vom Wind verschluckt) an emotional guy!“
E (grinst zurück): „You're right! I'm such a softy.“
Alex: „So tell me, what (---) do (---) climbing the bridge?“
Ich versuche die Frage im Kopf zu vervollständigen und antworte: „Next thing will be to get a ticket for the opera."
Alex hebt die Augenbrauen: "What (---) at (---) opera?!"
E: "Yup, the big white building behind me, that looks a little like giant hollow claws. They play music in it and stuff."
Alex (lacht): "Yeah I know. But what I wanted to know (---) your job at the opera?"
Jetzt ist es an mir, die Augenbrauen hochzuziehen: "My job there will be to listen to music I guess."
Es hat ganz den Anschein, als redeten wir über verschiedene Dinge. Alex ist wohl der gleichen Meinung, fühlt sich aber wahrscheinlich auch ein bisschen von mir vereimert (was gar nicht in meiner Absicht lag): "Sorry for asking stupid questions. Seems our communication is broken somehow."
Für diese Art von Beziehungsgespräch scheint es mir dann doch noch etwas früh zu sein. "No. I don't think so...", entgegne ich, aber Alex hat jetzt keine Lust mehr auf Plauderei. Wir setzen die Tour fort und schließen zum Rest der Gruppe auf. Was zum Donner ist da gerade passiert?
Dem höchsten Punkt der Brücke immer näher kommend passieren wir unterwegs das Gehäuse eines Wartungskrans. Im Inneren ist es einigermaßen Windgeschützt und man kann sich wieder in normaler Lautstärke unterhalten. Da ich mich aber immer noch mit der Frage beschäftige, was überhaupt das etwaige Missverständnis gewesen sein könnte, versuche ich nicht ein neues Gespräch zu beginnen, sondern lausche Alex' Ausführungen zur Brücke und der Umgebung über das Headset. Von hier aus sind es nur noch wenige Schritte bis zum Scheitelpunkt und Zentrum der Bögen. Es werden wieder Fotos gemacht und von nun an, wie weiland die Knef beinahe sang, gings bergab.
Der Wind hat noch einmal ordentlich zugelegt und ich liebe das. Ich könnte stundenlang hier oben sitzen, Picknick machen und warten bis die Sonne untergeht und je stärker der Wind, desto besser. Jedoch, die nächste Gruppe ist bereits in Sicht und die Tour neigt sich ihrem Ende entgegen. Auf- und Abstieg unterscheiden sich in sofern, als der Abstieg nun über den westlichen Bogen und im weiteren über die komplette Westseite der Brücke zurück in die Cumberland Street erfolgt. Man geht also wieder in Richtung Pylonen, um als erstes noch einmal von einem Guide an der abwärts führenden Leiter mit Smalltalk beschätigt zu werden. Diese hier heißt Tracy (nicht zu verwechseln mit Stacy) und wir kommen auf meinen bevorstehenden Geburtstag zu sprechen. Über was man mit den Brückenmädchen nicht so alles ins Gespräch kommt... Sie sagt, das alles wäre ja nur halb so schlimm, denn 40 sei ja bekanntermaßen das neue 30. Dieser Spruch riecht eindeutig nach... riecht wie Ich wittere TV-Serien-Fans Kilometer gegen den Wind, schaue mir Tracy etwas genauer an und bin mir sicher – 100% Gilmore-Girls-Fan. Ich sage ihr das auf den Kopf zu und hinterlasse sie damit einigermaßen verwundert, als die Leiter für mich frei wird. Statt mir ein "have a nice stay" hinterher zu quaken, fragt sie "how did you know that?" Ich zwinkere ihr zu und antworte: "Because green is the new pink."
Auf der Leiter platzt dann auch endlich der Gesprächsknoten über das Ostbogen-Missverständnis mit Alex in meinem Kopf. Manchmal bin ich aber auch zu schwerfällig. Sie wollte natürlich nicht wissen, was ich nach dem Bridge Climb mache, sondern was ich so mache, wenn ich gerade nicht auf der Brücke herumkraxele und weil ich die Oper erwähnt hatte, dachte sie ich arbeite in der, bzw. für die Oper. Am Fuß der Leiter und wieder unterhalb der Fahrbahn angekommen, schnappe ich mir Alex direkt und kläre die Sache auf.
Alex: "Kept you busy ay?"
Mit dieser Annahme hat sie völlig recht und ich bin froh, dass das vom Tisch ist, selbst wenn ich Alex wahrscheinlich nie wiedersehen werde und es mir eigentlich Wurscht sein könnte, was da oben schief gelaufen sein mochte. Immer besser, man ist es los.
Zurück in der Cumberland Street schirren wir ab, ziehen uns um, holen uns unsere Fotos ab und verabschieden uns von Alex. Sie drückt mir kräftig die Hand und schmunzelt ein bisschen: "It's been nice walking the bridge with you." Ich antworte: "It's been nice talking on the bridge to you."
Bevor ich mich wieder in Richtung Chinatown davonmache, gebe ich dem Schweizer Familienvater noch den ernst gemeinten Rat, in Australien nicht mehr die Daumen-Hoch-Geste zu verwenden, wie er es mehrfach während der Führung getan hat. Daumen hoch bedeutet in Australien das selbe, wie der hochgereckte Mittelfinger in Mitteleuropa. Papa Toblerone ist ein wenig peinlich berührt aber noch viel peinlicher berührt sind seine Töchter. Am liebsten würden sie ihm wohl Hausarrest erteilen.
Danach ziehe ich friedlich und tiefenentspannt meiner Wege. Ich kann nicht genau sagen, was mit mir da oben auf der Brücke passiert ist, aber irgendwie habe ich das sichere Gefühl, dass dieser recht kostspielige Spaziergang genau das richtige war. Irgendeine neurotische Verstopfung in mir hat sich da oben gelöst.
Bei Hungry Jack's fahre ich ein paar hohle Kalorien ein und denke darüber nach, wie ich die Fotos für den Blog von der Foto-CD auf mein Netbook bekomme, das über kein entsprechendes Laufwerk verfügt. Hmmmm.... "Howong-Ors"?
Eigentlich wollte ich da ja nicht mehr hin, aber hey, was könnte an so einem wundervollen Tag noch Schlimmes passieren?

Sonntag, 22. August 2010

A LITTLE SALUTE (and a short intermission)


Um bei allem pseudojournalistischen Eifer auch einmal etwas völlig anderes loszuwerden: 
Wann immer ich unter der Hotelzimmerdusche mit der 25cm-Brause stehe und mir mit dem Aromatherapie-Eukalyptus-Lemongrass-Shampoo das Haar einschäume, um es im Anschluss mit einem dazu passenden Conditioner zu pflegen, der mein Haar so weich macht wie den Flaum auf dem Popo eines Säuglings und dabei doch so voluminös und elastisch wie Diana Ross' Afro zu Supreme-Zeiten – wann immer ich in der kleinen Sportsbar sitze, 5min. die Straße hoch, kurz vor der Townhall und etwas anderes von der Menükarte probiere, während ein frisch gezapftes Guiness meine Kehle hinabrinnt – wann immer ich elektronische Post von Euch und buchstäblich von allen fünf Kontinenten bekomme – wann immer ich für ein Päckchen Zigaretten so viel ausgebe, wie ich in der kleinen Sportsbar für eine komplette  Mahlzeit (inkl. Bier) bezahle – wann immer ich ein Glas australischen Rotweins trinke (endlich auch einmal im Erzeugerland) – wann immer ich kein australisches Bier trinke (Freunde, ich bleibe lieber beim Aussie-Rotwein) wann immer ich eine für mich neue Kleinigkeit entdecke – wann immer ich also in den australischen Himmel blinzele, egal ob nun tags oder nachts, dann seufze ich von ganz tief unten, ähnlich wie Freund Flo nach einem opulenten Mahl und sage leise zu mir selbst: "Alter Knabe, es könnte Dir bestimmt wesentlich schlechter gehen, aber wirklich kaum noch viel besser!"
Ich glaube, das war einfach mal fällig.

Freitag, 20. August 2010

BRIDGE CLIMB (I)

Es ist Zeit für ein kleines Bisschen Konfrontationstherapie.
Als Kind war ich vollkommen schwindelfrei und irgendwann, ich weiß nicht genau wann oder warum, reichte es schon aus mir sehr plastisch von Höhenerlebnissen zu berichten, um mir Pudding in die Knie zu pumpen. Akrophobie oder Höhenangst ist wohl mit eine der verbreitetsten Ängste, mit denen sich der Mensch plagt. Es gibt verschiedene Ansätze mit dieser Einschränkung umzugehen und der einfachste und beliebteste ist verrmutlich, sich schlicht in Bodennähe aufzuhalten. Der Nachteil an dieser Methode ist, dass man sich damit selbst um die Möglichkeit bringt, gewisse Dinge aus einer anderen, vergleichsweise ungewohnten Perspektive zu betrachten, sozusagen einen Schritt vom Gemälde der eigenen und immer ähnlichen Sicht zurückzutreten, um sich einmal einen kleinen Überblick aus der erhöhten Distanz zu verschaffen. 
Generell seltsam an der Akrophobie finde ich, dass sie ab einer bestimmten Höhe ihren Schrecken vollkommen zu verlieren scheint, weil die Tiefe, die einen schwindelig werden lässt, mit Überschreiten dieser Grenze nicht mehr visuell noch geistig zu erfassen ist. Die Höhe selbst wird von diesem Punkt an zu einem unfassbaren Abstraktum und was nicht erfassbar ist, senkt unweigerlich einen Schlagbaum irgendwo auf der Straße zwischen Denken und Fühlen. Wo oder wann genau diese Höhe erreicht ist, variiert wahrscheinlich individuell von Akrophobiker zu Akrophobiker.
Natürlich kann man hierzu argumentieren: Ich muss gewiss nicht selbst auf einem Satelliten sitzen, um die Welt von oben betrachten zu können, denn genau dafür gibt es schließlich Satelliten – Sie liefern mir die Bilder von dort oben. Es besteht also nüchtern betrachtet kein Grund mehr, eigens in diese Höhe aufzusteigen und selbst nachzuschauen, wie es da aussieht.
Klares Gegenargument: Das ist nur ein Zweite-Hand-Erlebnis. 
Nachdem man die ersten Hunde/Schweine/Affen erfolgreich auf ballistische Flüge ins All geschossen hatte und davon einige sogar unversehrt wieder zur Erde zurückgekehrt waren, kam unter den rein technischen Pionieren der Raumfahrt eine Diskussion um die Zweckmäßigkeit eines von Menschen gesteuerten Raumschiffs auf: "Wozu? Wir können alle notwendigen Manöver von der Erde aus steuern. Wir brauchen dazu keinen Menschen vor Ort." Was sie eigentlich meinten war, dass Vor-Ort-Piloten sogar eher einen Unsicherheitsfaktor darstellen könnten und hatten damit aus rein technischer Sicht in vieflältiger Weise auch vollkommen recht – 1:0 für die Technik.
Weniger technisch orientierte Menschen beteiligten sich an der Diskussion, indem sie nur ein einziges Gewicht in die andere Waagschale legten: "Nun", begannen sie (und sie beginnen fast immer mit "Nun" und dieses "Nun" ist für Techniker fast immer ein Graus), "dann wird es aber auch nie jemanden geben, der davon berichten kann, wie es WIRKLICH gewesen ist." Mit dieser Bemerkung wurde die Waagschale der weniger technisch orientierten Menschen derart schwerwiegend, dass sie alle anderen Ansichten schlicht aus dem Waagesystem katapultierte.

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Ich selbst sehe mich für das was ich tue oder bleiben lasse als Ingenieur, Mission Control, Bodenpersonal, Raumschiff und Astronaut in Personalunion. Selbstverständlichkeit? Womöglich sollte es das sein. Ich kann aber nur für mich selbst sprechen.
Nicht immer arbeiten Techniker und Nicht-Techniker all dieser Systeme reibungslos Hand in Hand und wenn es auf Grund gewisser Unausgeglichenheiten der Einzelabteilungen zu Unfällen kommt, spüre ich das natürlich sehr deutlich. Trial & error. Manchmal lerne ich daraus, manchmal bin ich zum Fürchten unbelehrbar und manchmal... ja manchmal gibt es Dinge, bei denen sich alle Systeme mit einem Schlag aber auch sowas von einig sind, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als etwas zu unternehmen, das meiner mir zutiefst innewohnenden Bequemlichkeit vollkommen zuwider läuft. Und dabei bin ich doch so ein unheimlich bequemer Mensch.
Spät erlernte Akrophobie – und in diesem Punkt waren sich alle angesprochenen Systeme mehr als nur einig – ist Mist... braune Stinkeschokolade... sogar noch unnützer als kein Kropf... ein Pfurz in der Stinkbombenfabrik... Uran235 im Marmorkuchen... Idi Amin als UNICEF-Botschafter... Piratenclownbusfahrer...
Ich denke, der Punkt müsste klar geworden sein: So nicht! Basta.

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Mir ist eigentlich völlig klar was ich vorhabe und doch überlege ich auf dem Weg in die Cumberland Street 3 vielleicht statt des geplanten BridgeClimbs doch nur ein Ticket für die Oper zu kaufen. Schließlich läuft mir die verdammte Brücke nicht davon. Der Fußweg vom Hotel in Cinatown bis zur Harbour Bridge oder zur Oper ist auf rund anderthalb Kilometern ein und der selbe. Bis ich von der George Street an der Ecke Alfred Street angekommen bin, kann ich mich also noch immer umentscheiden. Heute gabs mal kein Schächtelchen-Frühstück. Ich nehme unterwegs ein eickinental breakfast ein – Cola 0,3 Liter, gekühlt aber ohne Eis und bin eigentlich nur guter Dinge. Kühl ist es und der Wind hat seit gestern etwas aufgefrischt, nichtsdestotrotz ist der Himmel blau, die Sonne scheint und es sind wie immer hunderte von SydneyerInnen auf der George Street unterwegs, ich höre meine iPod-Musik auf dem Weg und mache mir nicht die geringsten Sorgen über Akro- oder sonstige Phobien und noch bevor ich 'Cumberlandsauce' denken kann, steige ich auch schon die Argyle Stairs hinauf zur Cumberland Street und der Dingsbums soll mich holen, ich habe immer noch nicht die Hosen voll.
Im Foyer der BridgeClimb company ist nicht allzu viel los.
Ich komme nach nur kurzer Wartezeit an die Kasse, erkundige mich nach der nächsten Tour und bereite mich im Geist darauf vor, eine Wartenummer zu bekommen und in einem der umliegenden Restaurants noch einen Kakao zu trinken, bevor es losgeht.
"Starts in three minutes", informiert man mich. Unerwartet aber prima, denn warten ist mir zuwider. Man fragt mich noch nach gesundheitlichen Gebrechen und ob ich eventuell Alkohol getrunken hätte (Antwort: keine und nein), dann klärt man mich noch auf, dass der Kaufpreis für das Ticket – sobald bezahlt nicht mehr erstattet wird, selbst wenn ich mir gleich in die Hosen mache und beschließe, dann doch nicht auf die Brücke zu klettern. Okidoki.
Mit einer Gruppe von sechs anderen Besuchern werde ich in einen weiteren Raum geführt, in dem uns Amy, eine attraktive Brünette, die wahrscheinlich noch besser aussähe, wenn sie nicht diesen albernen Strampelanzug anhätte, den wir Besucher auch gleich anziehen müssen, nochmals über die Dos und Donts der Brückenbegehung aufklärt: Man darf eigentlich nichts mit sich führen, außer seiner Unterwäsche und Schuhe. Während dieser Belehrung füllt man ein Formular aus, in dem man nochmals schriftlich versichert, dass körperlich alles fein ist und man nicht in Spasmen zuckend versucht Suizid zu begehen. Amy hat ihren Text schon hunderte Male abgespult und das merkt man ihr auch an. Ihre Freundlichkeit ist zwar nicht echt, aber immerhin, sie zieht ihren Job routiniert und professionell durch. Dazu gehört, dass sie die Gruppe zu einer Vorstellungsrunde animiert. Einander fremde Menschen stehen im Kreis und sollen erzählen, wer sie sind, woher sie kommen und warum sie die Brücke erklettern möchten.
Machen wirs kurz: Eine dreiköpfige Familie aus Kalifornien (Papa, Mama, Tochter) und noch eine dreiköpfige Familie aus der französischen Schweiz (Papa, Tochter, Tochter) naja, und ich eben. Warum wollten diese Menschen die Brücke erklimmen? Ich habe keine Ahnung mehr und es war mir ehrlich gesagt auch pupsegal. Tenor war in etwa: "That's the thing to do in Sydney!" Was soll man in so einer gezwungenen Speed-Kennenlernrunde auch großartig erzählen? Ich brabbele irgendeinen ähnlichen Quark daher und hoffe nur, dass es endlich losgeht. Nächster Raum, Umkleidekabinen. Raus aus den Klamotten und rein in den Strampelanzug, persönliche Habe in einem Schließfach verstauen, durch den Metalldetektor gehen (!!!) – man hat wohl wirklich Sorge, jemand könnte seinen eigenen Fotoapparat einschleusen und also nachher nicht die Fotos kaufen, die der Guide geschossen hat – und dann sind wir die hübsche aber kalte Amy zum Glück los.
Auftritt Alex, die vermutlich ungekürzt Alexandra heißt und unsere Gruppe über die Brücke führen wird. Alex ist ungefähr 1,60 groß, ziemlich schmal, unbedingt burschikos und erinnert mich, wenn es auch sonst keine äußerlichen Ähnlichkeiten gibt, vom Habitus an eine Exfreundin aus Zeiten, die schon fast nicht mehr wahr sind. Tanna Verzeihung, Alex hat sofort meine Sympathie gewonnen. Die Sprüche mit denen sie die Gruppe unterhält wie auch anleitet sind zwar auswendig gelernt, aber Alex erscheint dabei niemals unecht und hey, sie macht das hier nicht zum Vergnügen, sondern das ist ihr Job. Ich Esel habe noch nicht einmal ein Foto von Alex gemacht....
(to be continued)