Sonntag, 29. August 2010

WALKING IN CAIRNS (I)


Der Flug nach Cairns war mit seinen lächerlichen drei Stunden Dauer erfrischend kurz und dank einer durch und durch reizenden älteren Dame auf dem Nachbarsitz zu meiner Rechten sogar erstaunlich kurzweilig. Ihr Name ist Rosalind und neben Gott, der Welt, Chinarestaurants in Sydney und der leckersten Pekingente aller Zeiten, kommen wir auch auf meinen Blog zu sprechen, der sie wirklich zu interessieren scheint, obwohl ich ihr natürlich natürlich nicht verheimliche, dass er, abgesehen von den Überschriften, komplett in deutscher Sprache verfasst ist. Sie möchte ihn aber trotzdem unbedingt anschauen, allein schon wegen der Fotos und jetzt wünschte ich, ich hätte um ihretwillen ein paar mehr davon gepostet. So if you see this Rosalind: Thank you again for the nice little chat, that really broke the flight's monotony. I hope your workshop was a success and maybe one day we will be completing crossword puzzles together again.
Am Flughafen in Cairns werde ich von Bianca und Jack herzlich in Empfang genommen und willkommen geheißen. Auf dem Flug hatte ich zwischendurch einen dieser "Du-hast-vergessen-den-Herd-auszuschalten"-Momente beim Gedanken an meinen Seesack im Bauch der Boeing, den ich dieses Mal nicht ganz so seemännisch verknotet hatte wie bei dem Flug davor. Doch (den Göttern der Dispatcher sei Dank) kommen meine Habseligkeiten nicht in Einzelteilen über das Gepäckband gepurzelt, sondern wohlbehalten und in trauter Seesackigkeit.
Bei meinen Gastgebern in der Ray Street angekommen, gibt es erst einmal die versprochenen Mitbringsel für Bianca, die ja erst vor knapp drei Wochen ihren Geburtstag hatte: ein Fußballtrikot der deutschen Nationalmannschaft, eine schwarz-rot-goldene Blumengirlande und die Flagge ihrer früheren Heimat – alle drei aus Polyester und also leicht abwaschbar...
Vor einiger Zeit habe ich erfahren, dass die Farben schwarz, rot und gelb auch die Farben der australischen Ureinwohner sind und hol's der Kookaburra! Das muss doch wohl irgendetwas zu bedeuten haben und sei es nur, dass es eben doch Zufälle gibt.

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Wie schon einige andere Australien-Reisende berichtet haben, versinkt die Sonne hier nicht wie bei uns an Frühjahrsabenden gemächlich, beschauhlich und majestätisch unter dem Horizont, sondern sie plumpst viel mehr völlig unprätentiös irgendwann um sechs Uhr abends ins Meer blupp, pschhhhh, dunkel. Und in gewisser Weise scheint dies Unprätentiöse auf die australischen Menschen abgefärbt zu haben. Das ist eine von diesen Aussagen, die sich auf nichts wirklich Greifbares oder Nachweisbares stützt, sondern von irgenwo aus meiner ganz perönlichen Gefühlsosmose kommt, über deren Anspruch sich sicherlich streiten ließe.
Nun ist mein Körper jedoch durchaus daran gewöhnt, sich nicht allzu viel um Tageszeiten, Tageslicht oder Dunkelheit zu scheren. Lediglich mit den frühen Morgenstunden konnte er sich nie so recht anfreunden. Sonnenuntergang Verzeihung, Sonnenunterplumps hin, Sonnenunterplumps her, schon auf der Heimfahrt vom Flughafen hatte ich bei einem kurzen Gespräch zum Thema tropische Früchte konstatiert: "It's beer o' clock I guess". Ich weiß nicht woran das liegt, ich empfinde die Fliegerei als unheimlich anstrengend und das obwohl man doch eigentlich nichts weiter zu tun hat, als dazusitzen. Man muss sich dabei noch nicht einmal anstrengen sonderlich intelligent oder attraktiv auszusehen, sondern man sitzt bloß und wartet und wartet und sitzt. Warum zum Wombat fühle ich mich hinterher also so, als hätte ich gerade den Rasen im Garten meines früheren Elternhauses gemäht? Und warum bekommt man davon so unglaublich trockene Haut (vom Fliegen, nicht vom Mähen)? Nach dem 24Std.-Flug von Frankfurt nach Sydney war ich von Kopf bis Fuß mit meinen eigenen Schuppen bedeckt und habe, wie Pigpen von den Peanuts, bei jedem Schritt eine kleine Staubwolke hinter mir hergezogen. 
Nach getaner Nicht-Arbeit ist es also Bier Uhr. Meine Freunde haben dankenswerterweise vorgesorgt und mir zu Ehren ein Slab aus Holland importierten Biers auf Eis gelegt. Als Slab bezeichnet man hierzulande eine Kartonage mit 24 Flaschen also kein Sixpack, sondern ein Twentyfourpack. Ich finde das absolut angemessen, denn meine Bauchdecke hat irgendwie nicht so richtig viel Ähnlichkeit mit einem Sixpack.
Wir setzen uns auf den Balkon, kippen uns ein paar Biere hinter den Binder, plaudern ein Weilchen und lassen den Tag mit viel German Gemutligkait ausklingen. Die beiden sind nicht nur Frühaufsteher, sondern infolgedessen auch Frühinsbettgeher. Ich sitze noch bis spät in die Nacht auf dem Balkon, höre den Grillen beim Zirpen zu und schaue ein bisschen meinen virtuellen Freunden in Übersee beim DJ-ing im Internet zu.

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Am nächsten Morgen stehe ich entgegen aller Gewohnheiten schon um zehn Uhr auf. Der Himmel ist ein bisschen verhangen und das Thermometer zeigt nur 23°C an. Es ist nach dem Geschmack der Cairnser viel zu kalt für diese Jahreszeit und auch viel zu bewölkt. Eigentlich hat es hier im Winter immer klare Sicht und Temparaturen um 27°C. Die Beschwerden meiner Gastgeber über das ungewöhnliche und immer niederschlagsreichere Wetter werden auch in den folgenden Tagen nicht abreißen und ich bin immer wieder bemüht den beiden zu erklären, dass ich das erstens (völlig ungeachtet der Tatsache das jetzt Dry Season ist) für einen Regenwald als absolut angemessen erachte und dass es sich schließlich zweitens um 100% proudly produced in Australia-Regen handelt mit anderen Worten, dass es nicht den geringsten Grund zur Beschwerde gibt!
Im Augenblick ist es jedoch trocken. Jack ist schon seit einiger Zeit aus dem Haus, weil er heute eine Psychologie-Klausur an der Uni zu absolvieren hat. Bianca hat seit gestern Urlaub (den sie extra meinetwegen genommen hat!) und so hat sie die Zeit, einen Strandspaziergang mit mir zu machen. Für Bummeleien solange sich nicht durch eine Shoppingmeile führen bin ich eigentlich immer zu haben. Weil der Himmel immer noch bedeckt ist, verzichte ich auf Sonnencreme und weil es nicht so heiß ist, ziehe ich mir meine langen Hosen an und wir bummeln los. Nach fünf Minuten Fußweg erreichen wir den kilometerlangen und beinahe menschenleeren Strand und entdecken als Erstes etwa 150 Meter von der Küste entfernt, zwei Delphine, die gerade Jagd machen. Der arme Tropf dem sie in diesem Moment den Gar ausmachen wollen, versucht allem Anschein über dem Wasser zu entkommen, denn er springt während er um sein Leben schwimmt immer wieder aus dem Wasser und zappelt dabei weiterhin, als könnte er dadurch an Höhe gewinnen und seinem Fressfeind davonfliegen. Kann ein Fisch wirklich so blöd sein? Nunja, er wird schon wissen was er da tut... Upps offenbar doch nicht. Ich lege eine Gedenksekunde für Bertram den Fisch ein, den ich so nenne damit er sein Leben nicht als namenloser Dummkopf beschließen muss:  Hier ließ Bertram am 27sten August 2010 sein Leben. Er starb hauptsächlich an ungerechtfertigtem Optimismus, der ihn glauben ließ, er könne sich in allerletzter Sekunde Flügel wachsen lassen. Curiosity killed the cat, optimism killed the fish. Möge er im flüssigen Fischhimmel auf ewig weiter schwimmen und ein paar verstorbenen Delphinseelen in den Hintern treten Amen.
Wir verlassen den Ort des Verbrechens und wandern den Yorkeys Knob Beach hinauf, der Himmel klart auf und die kletternden Temparaturen sind kaum zu spüren, weil der frische Wind von der See angenehm kühl ist. In meinen langen schwarzen Jeans kommt der Wind jedoch nicht wirklich an, sodass mir bald der Schweiß in einem konstanten Rinnsal die Poporitze befeuchtet und die Hosenbeine an den Oberschenkeln kleben. Es gibt weit Schlimmeres. Ich bewundere die Mangrovenhaine an der Mündung eines kleinen Flusses, in denen sich so erklärt mir Bianca wohl auch Krokodile herumtreiben, die sich aber nicht für uns zu interessieren scheinen. Jedenfalls halten sie mir zuliebe keine Willkommensparade mit lustigen Hütchen und einem Tambourmajor ab, oder lassen auch nur erkennen, dass sie tatsächlich existent sind und ich bin ihnen deshalb nicht weiter böse. Mittlerweile ist es zwölf Uhr mittags und die Sonne knastert vom Himmel herab, als Bianca plötzlich einfällt, dass es vielleicht gar keine so rasend brillante Idee war, ausgerechnet zur Mittagszeit einen Spaziergang im Freien zu unternehmen. So angenehm der kühle Wind sein mag, so tückisch ist er auch. Bis vor Kurzem noch hatten meine Arme diese vornehme Blässe und haben jetzt von den Ellbogen bis hinab zu den Fingerspitzen ein sattes Apfelbackenrot angenommen. Jack lässt mich später wissen, dass empfohlen wird sich nicht länger als 20 Minuten in der Mittagssonne aufzuhalten mit Sonnencreme! Bianca und ich sind insgesamt eine Stunde unterwegs. Soviel zum Thema ungerechtfertigter Optimismus... Gut nur, dass ich meinen albernen Touristen-Schlabberhut in der Tasche habe, den ich jetzt schleunigst aufsetze um das Bild des vollbemackten Trollos von Übersee zu komplettieren: geschlossene schwarze Lederschuhe, lange schwarze Hosen, knatschrote Ärmchen und einen schwarzen Trottelhut. Ich brauche verdammtnocheins überhaupt keinen sprachlichen Akzent, um jedermann sofort wissen zu lassen, dass ich nicht von hier bin! Aber für ein unangepasstes Outfit habe ich mich noch nie geschämt. Seht mich an, ich bin ein Blödmann und das ist auch gut so PUNKT

Wieder zurück in der Ray Street lege ich dann doch einen Hauch Sonnenschutz auf, denn ich muss gleich noch einmal raus. Jack ist von der Uni zurück und die Zufriedenheit über seine Klausur bewegt sich leicht unterhalb von mittelprächtigbeschissen. Ich brauche noch ein paar Kleinigkeiten aus der Drogerie (u.a. neue Pflaster für die Füß') und natürlich aus dem Bottleshop, denn die Drinks heute abend sollen auf meine Kappe gehen. Himmel auch! 40! Also wieder raus in das ultraviolette Hautkrebsparadies, denn das eigentliche Walking in Cairns hat gerade erst begonnen...
(to be continued)

3 Kommentare:

  1. Alles Gute den knatschroten Ärmchen! Hauptsache ist aber, die Fingerchen fallen nicht ab und können weiterhin fleißig tippen... :-)

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  2. Grüße an Bianca und Jack unbekannterseits. =)

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  3. @Iven: Thanks PPI - done & done

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