Man lernt eben nie aus und wird während dieses Lernprozesses auch schon mal für einen Drogenabhängigen bw. -dealer gehalten. Na und?
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Mit rund 150000 Einwohnern ist Cairns eine der größeren Städte Australiens, wobei man nie vergessen darf, dass die Gesamtbevölkerung Australiens gerade einmal 22 Millionen Menschen umfasst. Diese Zahlen sind nicht mehr ganz aktuell, jedoch werden die Ergebnisse der Zählungen für das Jahr 2010 vom Australian Bureau of Statistics erst kurz nach meiner Abreise bekannt gegeben.Angesichts der Einwohnerzahlen und der schieren Größe des Landes driften sämtliche Vergleiche mit Deutschland ins nachgerade Groteske.

Bitte verzeiht mir die lausige Rhetorik, aber ist das nicht komplett verrückt?
Nun immerhin gibt dies Bild von Weite und Besiedelungsdichte eine Vorstellung davon, warum ich nicht nur aus reiner Bequemlichleit sehr dankbar dafür bin, dass meine beiden Gastgeber mir anbieten, mich für meine Besorgungen mit dem Auto ins waaheit entfernte Zentrum des Städtchens zu fahren, weil es in ihrem 'Veedel' Yorkeys Knob außer anderen Wohnhäusern, Gaststätten, mir völlig unbekannter Vegetation, riesigen Fledermäusen, wilden Kakadus und anderen Piep- und Krächzmätzen, Schlangen, Geckos, Spinnen, Moskitos, Ameisen, Käfern, Fröschen, Strand, Meer, Delphinen und gefressenen Bertrams nicht allzu viel gibt – und gleich schon zweimal keine Drogerien. Im selben Aufwasch können auch die Wocheneinkäufe erledigt werden, wir verblasen also nicht nur für ein paar Fußpflaster, Seife, Shampoo und Partygetränke das Benzin, sondern verbinden das Nützliche mit noch mehr Nützlichem.
Dieses Mal habe ich mir Shorts angezogen und auch nicht vergessen mir die Beine mit Sonnenschutz zu balsamieren und wenn es etwas gibt, dass ich noch mehr hasse als mir schmierige Substanzen im Gesicht zu verteilen, dann ist es mir schmierige Substanzen auf den haarigen Beinen zu verteilen. Ja ich weiß, auch diese Sorte Haar kann man abrasieren, ich bin aber einfach nicht diese Sorte Mann – und das ist keinesfalls abfällig gegenüber den männlichen Beinrasierern da draußen gemeint. Das ist so eine Modeerscheinung bei den etwas jüngeren Männern, gegen die es nicht das Geringste einzuwenden gibt, ich weiß aber einfach bessere Dinge mit meiner Zeit anzufangen – z.B. in der Nase bohren oder mit Telekinese experimentieren, wobei ersteres eigentümlicherweise viel häufiger Ergebnisse zeitigt, als letzteres. Sollte mir also meine Beinbehaarung nicht zufällig bei einem meiner Telekineseversuche oder aus sonstigen Gründen plötzlich ausfallen, werde ich auch in Zukunft mit verschmierten Follikelfortsätzen leben müssen und meine Umwelt mit dem Anblick derselben.
Wir fahren mit dem Auto, dass mehr einem kleinen LKW gleicht (im der Fachjargon SUV oder Umweltverpester genannt), in die Innenstadt. Jack sitzt am Steuer, schimpft über seine ebenfalls autofahrenden Mitmenschen wie ein Fishwife und benutzt am liebsten dabei das schlimmste aller englischsprachigen Schimpfworte, das die primären Geschlechtsmerkmale der Frau bezeichnen soll und das ich selbst niemals verbal verwenden oder gar niederschreiben würde (also viel Spaß beim Herausfinden) – schon aus Ehrfurcht vor dem eigentlichen Körperteil. Ihm ist dabei übrigens völlig einerlei, ob es sich bei der beschimpften Person um eine Frau oder einen Mann handelt. Die Vokabel für das männliche Pendant kommt in Varianten auch aus seinem Mund aber ich glaube das andere Wort ist sein Favorit. Beim Autofahren unflätig herumkrakeelen ist nicht Jack's noch eine australische Erfindung, sondern erfreut sich wahrscheinlich überall auf der Welt, wo ein bisschen mehr Individualverkehr auf den Straßen unterwegs ist, größter Beliebtheit. Bestimmt gibt es für das Phänomen eine einfache psychologische Erklärung, die mir Jack sicherlich wird liefern können, sobald er sein Studium abgeschlossen hat.

Wir schlendern unter anderem auch über die 'Esplanade', einen Platz in dessen Mitte sich eine Art polygoner Swimmingpool befindet, der für alle zugänglich und kostenfrei zu benutzen ist.
Um den Pool herum tummeln sich auf den Wiesen die braungebrannten, wohlgeformten Surferboys und -Girls, viele Kinder und die Backpacker-Hippies mit ihren Dreadlocks und regenbogenfarben gebatikten T-Shirts, wie man sie so bei uns, in dieser Konzentration und ohne bestimmten Anlass jedenfalls, nicht mehr antrifft. Im Volksmund nennt man diesen Ort die 'Perv Alley' (Allee der Perversen), ich kann allerdings keine Anzeichen von außerordentlicher Andersartigkeit feststellen. Vielleicht ist es ja noch zu früh für perverse Aktivitäten... andererseits, was für eine lächerliche Perversion wäre das, die sich Gedanken über die Tageszeit machte? Definitiv keine ernstzunehmende. Außerdem gibt es eine kleine Bühne, auf der gerade eine Drei-Mann-Band die Zuhörwilligen unterhält. Sie spielen just in diesem Augenblick "Walking in Memphis" von Marc Cohn und bitte verdreht jetzt nicht die Augen – irgendwoher muss ich ja schließlich die beknackten Überschriften für mein Geschreibsel nehmen.
Als vorerst letztes in downtown Cairns besuchen wir Rusty's Market. Ein Marktplatz der haargenau so aussieht, wie man sich das in tropischen Gefilden immer vorstellt: Exotische Menschen (streng genommen bin ich ja hier der Exot) ganz ohne Marktfrauenkittel, Plastik-Handschuhe oder Haarnetze, mit vielen exotischen Produkten pflanzlicher oder tierischer Natur auf klapprigen Holztischen, verteilt auf der Fläche eines halben Fussbalfeldes. Ich hatte erwogen hier die Zutaten für eine Frankfurter Grüne Soße zu erwerben, um ein bisschen alte Heimat auftischen zu können. Das stellt sich jedoch als nicht realisierbar heraus, weil Borretsch, Pimpinell und Sauerampfer sich nicht auftreiben lassen wollen und eine Grüne Soße mit nur vier von sieben Kräutern halte ich persönlich für schlicht intolerabel, oder wie der Frankfurter sagen würde: "Brauche mer gar net drübber rädde!"
Dafür erstehen wir die leckersten, süßesten und saftigsten Mangos, die ich je gegessen habe. Allmählich beginnt die Sonne ein bisschen unruhig zu wackeln, weil sie in nicht allzu langer Zeit wieder ihren Kopfsprung ins kühle Nass machen möchte und zwei der drei Shoppenden beginnen ein bisschen unruhig zu wackeln, weil sie beide ein Y an Position 23 ihres jeweiligen Chromosomensatzes und eine leichte Shopping-Überdosis haben. Nicht eben subtil erhöhen Jack und ich das Shopping-Tempo und Bianca ist so freundlich darauf einzugehen.
Mit dem Wagen voller guter Sachen und den Schuhen voller guter Blasen, kehre ich mit den zwei Freunden zurück in die Ray Street, wo wir in meinen Geburtstag hineinfeiern werden. Partybeschreibungen halte ich für überflüssig, weil sie nie so lustig sind, wie die Party selbst – also verzichten wir darauf und ich verrate nur soviel darüber: Genau wie in Deutschland feiere ich nicht nur am Abend vorher hinein, sondern am folgenden Abend wieder hinaus – natürlich mit einer gehörigen Pause zur Regenaration dazwischen. Schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste.
Vielen Dank ihr lieben Menschen für Eure zahlreichen E-Mails, Comment-Postings, Blips und natürlich den Videocall aus Kalk vom Großteil der alten Gang und dem Kalker Kaffee. Ich habe mich tiiiierisch gefreut! Ein ganz besonderer Dank gilt natürlich meinen australischen Freunden, die mir nicht nur einen Platz zum Übernachten geben, sondern mir ihre Heimat aus Insider-Sicht zeigen. Und damit haben die beiden gerade erst begonnen. So planen sie z.B. einen Camping Trip ins Outback mit mir... Ich hoffe, ich kann mich in gebührender Weise erkenntlich zeigen... es wird mir aber bestimmt etwas einfallen.
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