Mittwoch, 18. August 2010

NO SLEEP TILL...

Ich treffe um 6Uhr morgens in meinem Hotel in der George Street 631, Downtown Sydney ein und fühle mich, wie zuvor geschildert immer noch wie Rührei mit Haaren drauf. Wie ich schon etwa eine Woche im Vorfeld per mail mit Rena (Hotel-Rezeptionistin) verhackstückt habe, wird mein Zimmer extra für mich früher parat gemacht - und zwar nicht um 15 sondern schon um 12Uhr. Ich muss also nur sechs Stunden bis zum Check In totschlagen und nicht neun.
Was also tun um 6Uhr morgens in einer fremden Stadt? Nicht etwa dass die Uhrzeit ein Problem für meine innere Uhr wäre. Erstens habe ich so etwas nicht (ich habe ja noch nicht einmal eine Armbanduhr) und zweitens, hätte ich eine innere Uhr, würde sie jetzt 10 Uhr abends anzeigen - also eine gute Zeit, um mit der Arbeit zu beginnen.
Ich beschließe, ein paar mails und tweets in die Heimat zu senden und erkundige mich beim anwesenden Rezeptionisten (asiatischer Abstammung) nach dem nächsten Internetcafé, das glücklicherweise nur ein paar Türen weiter liegt. 
Ich bin auch früher schon hin und wieder in Internetcafés gewesen und kann sagen, dass sie alle gleichermaßen heruntergekommen aussahen - das hier legt in Sachen 'heruntergekommen'  aber noch mal eine halbe Schippe Kohlen drauf. So liegen an einigen der (hust) Arbeitsplätze links und rechts der Tastaturen abgegessene Junkfood-Schachteln (und das nicht erst seit heute), was den schmierigen Gesamteindruck nur abrundet, mich als Müllhaldenbewohner aber nicht weiter bekümmert. Der Tresen des Managers ist verwaist und irgendwie komme ich mir unsichtbar vor, weil keiner so recht von meiner Anwesenheit Notiz zu nehmen scheint. Im Raum befinden sich zu dieser Zeit sechs weitere Menschen, allesamt asiatischer Abstammung, im Alter zwischen 18 u. 25, drei davon spielen Online-Shooter, die anderen drei haben sich offenbar an der Spindel der bösen Fee gestochen, sind an Ort und Stelle sitzender- und laut schnarchenderweise eingepennt und warten auf den schönen Prinz, der sie in hundert Jahren wachküssen wird. Nach einiger Zeit löst sich einer der Shooter-Gamers ein wenig unwillig von seinem Spiel und begibt sich hinter den Tresen, um sich mit überschwänglicher Freundlichkeit nach meinem Begehr zu erkundigen: "Hm?"
Weil ich hundemüde bin, schmunzele ich nur inwendig, erwäge aber dennoch kurzzeitig eine Hafenrundfahrt, einen Bugatti Veyron und ein kleines Fass Lebertran zu bestellen. Da der pickelgesichtige Manager des Ladens aber um diese Uhrzeit offenkundig nicht zu Scherzen aufgelegt ist (und wer hätte mehr Verständnis dafür als ich), bitte ich einfach nur um einen Rechner mit Internet-Zugang.
"Howong?", fragt er mich. Ich stehe auf dem Schlauch und antworte in seiner Sprache: "Hm?"
"Ors?", präzisiert er seine Frage. Ich fühle mich genötigt, ebenfalls präziser zu werden: "Sorry, I didn't understand." Jetzt schaltet sein Gesicht von unwillig auf zornig und seine Stimme auf laut: "HOW LONG? HOW MANY HOURS?!"
Da soll noch einer sagen Zorn sei kontraproduktiv. Er möchte wissen, wie viele Stunden ich gedenke seinen Internetzugang zu belästigen. Ich antworte wiederum in seiner Sprache "TWO!"
Das hilft. Bestimmt hält der junge Mann mich jetzt für einen Rassisten, ich verspüre aber nicht die geringste Lust, das kleine Missverständnis aufzuklären. Hätte ich jetzt z.B. sowas gesagt wie: "Sorry Sir, but I'm not from Australia...", hätte er wahscheinlich nur erwidert: "Me neither! F U!"
Da dies jedoch garantiert mein letzter Besuch in dem Etablissement gewesen sein wird (ich bekomme später Internetzugang vom Hotel), verzichte ich auf diplomatisches Feingefühl, setze meine mails und tweets ab, blippe noch zwei Songs (ohne sie hören zu können) und warte auf Antworten aus Deutschland, Irland, Mexiko und sonst woher und zwinge mich, wenigstens anderthalb von den bezahlten zwei Stunden in diesem Laden zuzubringen, denn ich habe danach noch immer vier weitere Stunden mit nichts weiter zu tun, als wach zu bleiben. Jedoch, die Antworten bleiben aus.
Also trödele ich ein Weilchen durch die Straßen rund um das Hotel, entdecke ein Kino, eine Mall, einen Bottle Shop (nur da kann man in Australien alkoholische Getränke kaufen), einen Convenience Store (Zigaretten) und ein Mc Donald's "Restaurant". Ich denke darüber nach, einen Burger zu kaufen und bemerke nach dem Betreten des Mäcces, dass man zum einen hier zur Frühstückszeit ausschließlich Frühstückskrams erwerben kann (Muffins, Eier, Speck usw.) aber keine Burger und zum anderen, dass ich auch hier... wie sage ich das jetzt politisch korrekt?... dass ich auch hier das einzige langnasige Weißbrot bin - alle anderen sind asiatischer Abstammung. 
Ohne Burger und wieder zurück auf der Straße schaue ich jetzt etwas aufmerksamer in der Gegend umher und achte mehr auf Menschen, als auf Läden: Asiate... Asiate... Asiatin... Asiate... Gruppe von Asiatinnen und Asiaten... da ein Weißbrot! Nee, nur ein langer Asiate.
Aus den Tiefen meines jetlaggigen Gehirns dringen ein paar Zeilen aus der Reisebroschüre zur Lage des Hotels in mein Bewusstsein "(blabla)... nahe Chinatown...(blabla)". 'Nahe' Chinatown ist nicht gelogen, weil 'mittendrin' ja nun auch nichts weiter ist, als wirklich echt richtig nahe dran. Außerdem habe ich nicht das Geringste gegen Asiaten und hoffe, das beruht auf Gegenseitigkeit. Tjanun, beim Internetcafé-Manager konnte ich in Sachen Sympathie wohl nicht wirklich punkten. Manche Dinge kratzen mich aber einfach auch nicht wirklich.
Noch müder vom Herumtrödeln kehre ich ins Hotel zurück, begebe mich in die unter freiem Himmel befindliche, unbeheizte Visitors Lounge (der einzige Ort im Hotel, an dem man rauchen darf) und tue das, was ich um die Uhrzeit sonst auch tun würde - arbeiten. Weil ich meine Klamotten bis zum Check In in einem Bezahlschließfach verstaut habe, sitze ich bei 8°C viel zu leicht bekleidet, müde und schlotternd, eine Kippe nach der anderen rauchend mit meinem Netbook auf dem Schoß auf einem Gartenstuhl und schreibe die beiden Inflight-Kapitel.

***
High noon!
Dem Himmel sei Dank, mein Zimmer ist bezugsfertig. Ich stelle die Heizung auf volle Lotte, dusche heiß, falle ins Bett, schalte den Fernseher ein (LCD, 80cm), verschaffe mir für ein bis zwei Stündchen Überblick über die hiesige Medienlandschaft und sinke in süßen, süßen Schlaf. Um Mitternacht erwache ich und überlege kurz, ob es etwas zu überlegen gibt und schlafe weiter bis zum nächsten Morgen.

6 Kommentare:

  1. Na, das klingt doch nach einem fantastischen Start in den Urlaub!

    AntwortenLöschen
  2. Hast Du eigentlich auch Hauskanal im Hotel? =)

    Sachens, wie wäre es (ab und an) eine Karte zu sehen, wo Du Dich herum getrieben hast?
    Soll aber nicht in Arbeit ausarten, ist schließlich Urlaub.

    Grüße von der linken Rhein-Seite.

    AntwortenLöschen
  3. Ich konnte grad echt nichtmehr vor Lachen!
    "Howong?" und "ORS?"!
    Unschlagbar!

    AntwortenLöschen
  4. Ein guter Start - bin ja sehr gespannt auf den Fortgang.... und vor allem auf den Text für den Kalker Kaffee 13 oder 14 ;-)

    Schomsen.

    AntwortenLöschen
  5. Welcome to Australasia :-)
    BK

    AntwortenLöschen
  6. Yes hello, sieht ja so aus, als könne dir mit entsprechendem Humor rein gar nichts passieren, sehr gut, sehr gut :-) Hatte ich vergessen, dir auf den Weg mizugeben: Was in Kalk die Türken sind, sind in Australien die Asiaten! Macht riesen Spaß, dir zu folgen - umso blöder, dass ich diesbezüglich jetzt ne Woche pausieren muss, weil jetzt meine Segeltörn ansteht. Viel Spass weiterhin, Ernesto (hab mal als Anonym gebloggt, oder wie des heißt, alles andere war mir zu umständlich, hihi)

    AntwortenLöschen